Die LTi GIESSEN 46ers haben am Freitagabend in der Sporthalle Gießen-Ost vor 3420 restlos begeisterten Zuschauern für eine Riesen-Überraschung gesorgt und den amtierenden deutschen Meister aus Bamberg mit 71:64 (35:26) besiegt. Und das, obwohl neben Team-Topscorer Rouven Roessler und dem langzeitverletzten Tory Walker kurzfristig auch noch Center Bill Phillips wegen einer Verletzung an der Peronealsehne fehlte.
Das beim Sprungball in der Formation Obie Trotter, Michael Umeh, Seamus Boxley, Corey Rouse und Gerrit Terdenge auf dem Feld stehende Gießener Team startete in der Verteidigung mit einer Zone und hielt an dieser Variante fast über die gesamten 40 Minuten hinweg fest, weil dem Tabellenvierten aus dem Frankenland nicht allzu viel dagegen einfiel. Gästecoach Dirk Bauermann zog nach dem Spiel in der Pressekonferenz einen Vergleich zum Fußball zog und attestierte seinen Spielern mangelnde Laufbereitschaft.
Ganz anders die Mannen von Head Coach Thorsten Leibenath, denen es mit großem Einsatz und schnellem Rotieren in der Ball-Raum-Verteidigung immer wieder gelang, die Bamberger Angriffsbemühungen ins Stocken geraten zu lassen. Auf der anderen Seite hatten die LTi 46ers die Brose Baskets bis zur siebten Minute bereits zweimal im Umschalten von Abwehr auf Angriff übertölpelt und die Zuschauer durch zwei krachende Eins-gegen-Null-Slam-Dunks von Corey Rouse verzückt (11:9).
Wenig später erzielte der an diesem Abend einmal mehr überragend aufspielende Michael Umeh per Dreier seine ersten drei von am Ende insgesamt 32 Punkten (16:9). Als Kapitän „Flo“ Hartenstein nach einer von Dirk Bauermann genommenen Auszeit in der Bamberger Zone Chris Ensminger im Eins-gegen-Eins vernaschte und zum 18:11 ablegte, Robert Garrett im Gegenzug gegen den verteidigenden Jo Lischka versiebte und Gerrit Terdenge den folgenden Fastbreak sieben Sekunden vor dem Ende des ersten Viertels zum 20:11 abschloss, keimte bei dem ein oder anderen Fan der LTi 46ers möglicherweise der Gedanke auf, dass es ein besonderer Basketball-Abend werden würde.
Auch im zweiten Viertel tat sich Bamberg weiter äußerst schwer gegen die Gießener Zone. Nachdem Hartenstein und Umeh die LTi 46ers mit 23:11 in Führung gebracht hatten, verkürzte der Tabellenvierte mit einem 7:0-Lauf (fünf Punkte von Fenn) zwar auf 18:23 (14.), doch nach dem 25:20 setzten sich die Hausherren bis zur 20. Minute wieder auf 35:24 ab. Zum einen, weil Michael Umeh in dieser Phase von außen nicht zu stoppen war und auch am Brett selbst hart bedrängt von zwei Mann nach gefühlten fünf Sekunden „Hangtime“ traf, zum anderen, weil man weiter viel Herz zeigte (symptomatisch Danny Lewis‘ Ballgewinn nach Bodenkampf!) und den Rebound am defensiven Brett im Griff hatte – den Bambergern wurde in der ersten Hälfte trotz ihrer 15 Fehlwürfe nur ein Offensivrebound gestattet.
Natürlich musste man damit rechnen, dass der Titelanwärter sich nach der Pausenansprache von Bundestrainer Bauermann mit mehr Energie und größerem Siegeswillen präsentieren würde. Doch auch nach Wiederbeginn dominierte das Gießener Team. Umeh schoss Dwayne Mitchell erst einen Dreier „ins Gesicht“ (38:26), um die Bamberger Verteidigung im nächsten Angriff mit einem simplen „Give and go“ auf Pass von Corey Rouse per einfachem Lay-up zu düpieren (40:29). Wenig später war der Shooting Guard nach einem energischen Penetrieren in die Bamberger Zone per Drei-Punkt-Spiel zum 45:29 erfolgreich. Nachdem ein Dreierversuch von Mithat Demirel geblockt wurde, erhöhte Corey Rouse den Vorsprung mit einem Treffer aus der Mitteldistanz auf 47:29 (25.).
Die Brose-Truppe verkürzte auf 37:50 (27.), lag nach einer Auszeit von Thorsten Leibenath und sieben Punkten in Folge von Gerrit Terdenge in Minute 28 aber sogar mit 19 Zählern zurück (38:57). Der Routinier stand am Ende fast 36 Minuten und damit so lange wie nie zuvor in dieser Saison auf dem Feld. Ein mit dem Mute der Verzweiflung aus knapp acht Metern genommener Dreier von Mithat Demirel zum 41:57 war der Beginn eines Schluss-Spurtes der Gäste, die sich am Ende des dritten Viertels nichtsdestotrotz mit stattlichen elf Punkten im Hintertreffen befanden (46:57).
Im letzten Viertel schwanden bei den Hausherren zusehends die Kräfte, was in erster Linie im Angriff durch eine immer größer werdende Zahl an Not- und daraus resultierenden Fehlwürfen zum Ausdruck kam. Trotzdem schaffte Bamberg es erst in Minute 35, erstmals seit dem zweiten Viertel wieder auf sechs Punkte heranzukommen (59:53). Im Anschluss scheiterten Darren Fenn (2x) und Seamus Boxley mit Dreierversuchen. Ganz wichtig dann der Korb zum 61:53 – Michael Umeh war kurz vor Ablauf der 24-Sekunden-Angriffszeit in die Zone penetriert. Sein Notwurf verfehlte den Korb deutlich, doch Corey Rouse war zur Stelle und wuchtete den Ball mit dem Ablauf der Uhr durch den Ring (37.).
Noch einmal mussten die längst wie eine Wand hinter ihrem Team stehenden Gießener Fans zittern, als beim Stande von 61:57 Gerrit Terdenge beim Ballvortrag gegen die Ganzfeldverteidigung der Gäste einen Schrittfehler beging (84 Sekunden Rest). Nach der Auszeit von Thorsten Leibenath bekamen die Anhänger dann die wohl vorentscheidende Szene zu sehen: Obie Trotter preschte bei einem Bamberger Set-Play in einen Pass von Mitchell, steuerte alleine auf den Gästekorb zu, schaffte es nicht, den Korbleger gegen den im letzten Moment herangeeilten Mithat Demirel zu versenken, sicherte sich aber den Offensivrebound, so dass die Mittelhessen in Ballbesitz blieben. Nach einem Foul von Demirel erhöhte Trotter von der Freiwurflinie auf 63:57 (45 Sekunden Rest). Als Bambergs Forward Predrag Suput beim folgenden Angriff seinen Dreier an den Ring setzte, versuchte Bamberg mit schnellen Fouls noch eine Wende herbeizuführen, doch Gießen schaffte es, den Ball immer wieder in die Hände von Michael Umeh zu befördern, der sich von der Freiwurflinie in der Schlussphase gewohnt treffsicher zeigte (7 von 8) und den vor dem Spiel kaum für möglich gehaltenen Heimsieg heimschaukelte.
Punkteverteilung:
LTi GIESSEN 46ers: Umeh (32), Terdenge (15), Lewis (2), Trotter (6), Lischka (2), Rouse (11), Boxley (0), Hartenstein (3), Poiger, Buljevic, Robinson (alle n. e.).
Brose Baskets Bamberg: Ensminger (9), Hamann (6), Suput (9), Fenn (16), Garrett (2), Okulaja (0), Ohlbrecht (0), Demirel (8), Mitchell (14), Tadda, Pavic, Reiner (alle n. e.).
Stimmen zum Spiel:
Thorsten Leibenath (Head Coach LTi GIESSEN 46ers): „Das Bamberger Spiel ist so variabel, dass wir heute mit der Zonenverteidigung ein wenig Tempo heraus nehmen wollten. Wir wollten das Bamberger Spiel lethargisch aussehen lassen, was uns auch ganz gut gelungen ist. Unser Ziel war es, 75 Punkte zu erzielen. Das haben wir knapp verfehlt, aber nur 64 Punkte zuzulassen ist uns in dieser Saison noch nicht so oft gelungen, daher war die Verteidigung ganz sicher ein entscheidender Faktor. Das wir am Ende bei den Rebounds vorne lagen hat eine wichtige Rolle gespielt. Normalerweise rebounden wir aus einer Zonenverteidigung heraus nicht so gut. Heute ist uns das aber ganz gut gelungen, auch am offensiven Brett lagen wir mit elf Rebounds über unserem Saisonschnitt.
Die letzten Minuten waren etwas holprig, glücklicherweise dauert ein Basketballspiel nur 40 und nicht 41 Minuten, ansonsten wäre es sicher noch einmal ganz eng geworden. Der Steal von Obie (Trotter) war eine Art Vorentscheidung, Mike (Umeh) hat dann an der Freiwurflinie nichts mehr anbrennen lassen. Trotz der herausragenden Leistung von Michael Umeh war es heute eine klasse Mannschaftsleistung, aus der ich nichtsdestotrotz Corey Rouse hervorheben möchte, der in der Zonenverteidigung eine lehrbuchreife Leistung abgeliefert hat. Bill Phillips fehlte, weil er massive Probleme an der Peronealsehne hat. Es ist keine einfache Verletzung. Am Sonntag in Frankfurt wird er definitiv fehlen, am Montag wissen wir mehr.“
Dirk Bauermann (Head Coach Brose Baskets): „Dass Gießen die ‚etwas leidenschaftlichere‘ Leistung gezeigt hat ist stark untertrieben. Es ist unentschuldbar, dass die Mannschaft des deutschen Meisters – nicht zum ersten Mal in dieser Saison – glaubt, mit Dienst nach Vorschrift gegen einen hungrigen und mit viel Energie spielenden Gegner bestehen zu können. Die Leistung war heute komplette inakzeptabel, ich empfinde sie als peinlich. So kann man als deutscher Meister nicht auftreten. Wir haben es zum wiederholten Male an der notwendigen Intensität und Qualität im Angriff fehlen lassen.
Gießen ist der kurzfristige Ausfall von Phillips heute möglicherweise sogar zugute gekommen, denn sie haben dadurch mehr Zonenverteidigung gespielt als sie es wohl mit Phillips getan hätten. Aber das entschuldigt nichts. Wenn wir beim Fußball wären, würde man bei der Beurteilung unserer heutigen Leistung von mangelnder Laufbereitschaft sprechen. Am Ende war es zwar nochmal eng, aber von der Qualität her war das von unserer Seite aus nie genug, um hier wirklich noch gewinnen zu können. Natürlich geht mein Lob und mein Glückwunsch heute auch an die Gießener, die einen einen guten Job gemacht haben und einen hochverdienten Start-Ziel-Sieg gelandet haben. Thorsten Leibenath hat das Team gut eingestellt. Ich hoffe, dass Gießen als Traditionsstandort in der Liga bleibt, und das sieht jetzt ja auch gut aus.
Ob bei uns ein Jared Reiner oder ein Demond Greene fehlen oder ein Tim Ohlbrecht krank ist interessiert nicht. Unser Team ist so tief besetzt, dass das keine Rolle spielen darf. Es ist unerklärlich, dass eine mit so vielen erfahrenen Spielern besetzte Mannschaft wie die unsrige in dieser Saison schon so oft erst auf die Schnauze fallen muss, um zu begreifen, wie wir uns präsentieren müssen.“
Gerrit Terdenge (Power Forward LTi 46ers): „Wir sind sehr sehr glücklich über diesen Sieg. Die Bamberger hatten mit unserer Zonenverteidigung große Probleme und haben nichts getroffen. Am Ende sah es so aus, als dass sie noch einmal den Spieß umdrehen könnten, aber wir haben dagegen gehalten und wichtige Punkte gemacht. Die Fans haben uns den wichtigen letzten Schub gegeben, um wieder zurückzukommen. Da wir aufgrund des Ausfalles von Bill und Rouven alle sehr viele Minuten gespielt haben, waren wir am Ende einfach total müde und froh, das Spiel über die Zeit gerettet zu haben. Jetzt können wir beruhigt nach Frankfurt waren. Wahrscheinlich werden wir am Samstag im Training nur noch etwas Taktisches machen und uns ansonsten erholen. Mein großer Dank geht an die Fans. Die Halle stand Kopf und hat uns einfach die Kraft gegeben, das Spiel heute zu gewinnen.“
Richard Poiger (Forward LTi 46ers): „Das ist gar kein schlechtes Gefühl, gegen den amtierenden Meister zu gewinnen. Der Sieg war einfach sehr überraschend und sicherlich nicht zu erwarten, auch wegen des Ausfalls von Bill. Wahrscheinlich haben uns die Bamberger aber auch unterschätzt. Am Ende wurde es zwar noch einmal eng, aber das ist ganz normal. Man sollte nicht denken, dass man eine Mannschaft wie Bamberg mit 20 Punkten aus der Halle schießen könnte. Jedoch spielte dabei sicherlich auch die Müdigkeit eine große Rolle. Gerrit beispielsweise musste heute aufgrund des Fehlens von Bill sehr lange spielen.“
Michael Umeh (Shooting Guard LTi 46ers): „Das war heute ein ganz wichtiger Sieg für uns. In der Osthalle zu spielen ist einfach wunderbar. Die Fans gehen bei jedem Spiel total mit und geben uns die nötige Unterstützung. Ich würde sagen, dass das mit die besten Fans sind, die ich bisher in meiner Karriere erlebt habe. Es ist toll, wenn man seine Schüsse reinmacht und die Fans dann begeistert von ihren Plätzen aufspringen. Heute bin ich mit der Einstellung ins Spiel gegangen, aggressiv und beherzt zu agieren und keinen Ball verloren zu geben. Das entgegengebrachte Vertrauen von Thorsten (Leibenath) und Geri (Wasshuber) gibt mir zudem extrem viel Selbstvertrauen für mein Spiel. Sie und ihr Training sind für mich die Schlüssel zum heutigen Sieg.“
Am Sonntag (6. April) steht für die LTi 46ers das 19. Hessenderby bei den Deutsche Bank Skyliners auf dem Programm. Die Partie beginnt um 15 Uhr in der Ballsporthalle Frankfurt-Höchst. Der Tabellensiebte aus der Mainmetropole um Topscorer Derrick Allen (20,4 Punkte pro Spiel) und Nationalspieler Pascal Roller (12,6 Punkte und 4,2 Assists pro Partie) geht nach dem gestrigen 87:75-Auswärtserfolg bei den Artland Dragons und angesichts der Verletzungsprobleme auf Seiten des Gießener Teams sicher als Favorit in die Partie. Die grandiose Leistung im gestrigen Spiel gegen Bamberg und das beim Hessenderby in den letzten Jahren scheinbar gültige Gesetz, das am Ende zumeist die Auswärtsmannschaft die Nase vorn hat, lässt die Gießener Fans aber auf einen erneuten Erfolg ihrer Mannschaft in Frankfurt hoffen. Die 46ers haben seit der Saison 2002/2003 fünf der letzten sechs Pflichtspiele bei den Skyliners gewonnen. „Frankfurt ist eine top besetzte Mannschaft, die zuletzt einen hervorragenden Basketball gespielt hat. Wir haben zwei Leistungsträger zu ersetzen, was wir gegen Bamberg klasse kompensieren konnten. Das heißt aber nicht, dass uns das jedes Mal gelingen wird. Nach den tollen Leistungen in Paderborn und gegen Bamberg fahren wir aber mit sehr viel Zutrauen in unsere eigenen Fähigkeiten nach Frankfurt und hoffen dort natürlich wie immer auf zahlreiche Unterstützung durch unsere Fans“, meinte Thorsten Leibenath nach dem Spiel gegen Bamberg in der Vorausschau auf das Spiel am Sonntag.
Foto-Galerie
Alle Bilder: Mediashots Werbefotografie.