Mit einer fesselnden Aufführung sind die 46ers auf der Großen Bühne Osthalle beim 80:61 gegen Bremerhaven ins Halbfinale eingezogen.
Zwei Aufführungen, aber nur ein Preis. Erst Melodram, dann Lustspiel. „Angst essen Seele auf“ und dann „Frühlingserwachen“. Auf Rainer Werner Fassbinder folgte Regia Roesch. Die Große Bühne Osthalle hatte am Donnerstagabend all das zu bieten, was sie seit 60 Jahren auszeichnet: Zunächst Unsicherheit und Bangen, später Selbstbewusstsein und Courage. Sportlerherz, was willst du mehr?
In einem abermals an Spannung kaum zu überbietenden Playoff-Viertelfinale schlugen die GIESSEN 46ers die Eisbären Bremerhaven mit 80:61 (42:34), gewannen die Best-of-five-Serie in der BARMER 2. Basketball-Bundesliga ProA mit 3:1 und stehen damit im Halbfinale, das am kommenden Donnerstag bei Hauptrunden-Sieger Science City Jena startet und einen abermaligen Höhepunkt am Samstag, 17. Mai (19.30 Uhr), in Spiel zwei an der Lahn verspricht.
„Ich bin glücklich und sehr stolz auf das, was meine Jungs erreicht haben. Drei Siege in gut einer Woche gegen ein Top-Team wie Bremerhaven sind keine Selbstverständlichkeit. Wir haben eine richtig tolle Truppe beisammen“, ließ Cheftrainer „Frenki“ Ignjatovic in der Pressekonferenz seinen Gefühlen freien Lauf. Ehe sich der 58-Jährige im Bistro unterhalb der Haupttribüne ebenso wie seine Jungs ein Bad in der Menge gönnte und er sich später im darüberliegenden VIP-Raum den Applaus der Gäste abholte. „Wir sind eben ein kleiner Verein, in dem viele Menschen ein großes Herz haben.“
Was auch auf seine Profis zutraf, die nur 48 Stunden nach dem 69:83-Rückschlag an der Nordsee einen Arbeitssieg feierten. Einen, den sie sich laut Gäste-Coach Steven Esterkamp „redlich verdient“ und in den sie sich, zunächst nervös und mit einer schlechten Trefferquote, förmlich hineingegraben hatten. „Wenn du weißt, dass du zu Hause Matchball hast, dann stehst du unter Druck. Damit musst du erstmals klarkommen, eine solche Situation ist nicht zu unterschätzen“, rang Kapitän Robin Benzing nach Erklärungen für das zunächst überschaubar überzeugende Auftreten der Seinen, aber auch das des 36-Jährigen selbst.
Nur zwei Freiwürfe hatte Benzing in Halbzeit eins versenkt, ansonsten fanden seine Würfe ihr Ziel nicht. Doch nach der Pause war er, wie so oft, zur Stelle, läutete mit einem erfolgreichen Dreier zum 47:45 (25.) den Umschwung ein und ließ die 9:0-Serie der Nordlichter, die aus einem 34:42-Rückstand zur Pause eine 43:42-Führung gemacht hatten, vergessen. „Er ist ein paar Mal zum Korb gezogen wie ein 20-Jähriger“, scherzte der bärenstarke Viktor Kovacevic, als der Ex-Internationale im Schlussabschnitt mit einem Solo auf 63:52 (33.) stellte und auch nach 37 Minuten mit fünf Punkten in Folge den 71:55-Vorsprung entscheidend auf 76:55 erhöhte. Die Fans sangen „Rot und Weiß, ein Leben lang …“. Und „Frenki“ Ignjatovic nahm seinen Ziehsohn nicht nur 100 Sekunden vor Schluss vom Feld, sondern auch herzlich in die Arme.
Zu einem Zeitpunkt, als die Glückseligkeit längst Einzug gehalten hatte in Gießens „Guud Stubb“. Luis Figge hatte mit heißer Hand im zweiten Viertel innerhalb von nur 130 Sekunden dreimal aus Downtown getroffen und die Gäste damit so nachhaltig beeindruckt, dass sie sich ein „T“ ob ihrer sechs Spieler auf dem Feld einfingen. Mladen Vujic, der ebenso wie Jonathan Maier und Viktor Kovacevic ungeahnte Freiheiten unter beiden Körben genoss, da Eisbären-Big-Man Hendrik Warner wegen einer Rippenprellung kurzfristig passen musste, „vernaschte“ Jake Biss wie in einer Telefonzelle (39:22, 19.). Simon Krajcovic besorgte fast per Buzzerbeater mit seinen einzigen Punkten des Abends den 42:34-Halbzeitstand.
Viktor Kovacevic gelang per Alley oop nach Klasse-Anspiel von Aiden Warnholtz krachend das 51:49 (27.). Der Kanadier selbst schloss kurz danach durch die Hosenträger von Bremerhavens Spielmacher Elijah Miller hindurch zum 55:49 (30.) ab. Nach vier Gießener Offensiv-Rebounds in Folge und einem Steal von Kevin McClain war Warnholtz abermals zum 60:49 (31.) zur Stelle und läutete damit den Untergang der Gäste von der Nordsee ein.
Der Dreier von McClain zum 65:53 (35.), die hohe 23-Punkte-Führung beim 78:55 (38.), für die Viktor Kovacevic, dem sein fünftes Double-Double im 46ers-Trikot glückte, und das abschließende 80:61 durch Luis Figge, dessen 13 Punkte und fünf Rebounds abermals das Publikum von den Sitzschalen riss, rundeten einen gelungenen Abend auf der Großen Bühne Osthalle ab, den die Fans noch lange in Erinnerung behalten werden.
Weil „wir wieder einmal so aggressiv aufgetreten sind, wie es in den Playoffs sein muss“, so Mladen Vujic. Weil „wir unsere Schludrigkeit rechtzeitig ablegen konnten“, so Nico Brauner. Weil „nur 61 Punkte von Bremerhaven zeigen, dass unsere Defense der Schlüssel zum Erfolg war.“ Und weil „wir mit diesem Sieg unser Saisonziel, nämlich das Erreichen der Playoffs, übertroffen haben“, so Coach Branislav Ignjatovic.
Was für ein befreites Auftreten in der Halbfinal-Serie spricht. Robin Benzing: „Auf Jena lastet der Druck, nicht auf uns.“ Also mehr Melodram als Lustspiel …
Gießen: Warnholtz (10), Castlin (10), McClain (5), Benzing (13), Maier (4), Figge (13), Nyama, Kovacevic (17), Vujic (5), Krajcovic (3), Brauner.
Bremerhaven: Miller (10), Biss (7), Schmitz (1), Carter (4), Breitlauch (4), Hemschemeier (6), Richmond (11), Norl (8), Rissetto (10).
UND SONST NOCH …
- Unsere Starter: Kyle Castlin, Jonathan Maier, Viktor Kovacevic, Simon Krajcovic, Nico Brauner.
- Unser Konditions-Wunder: Kyle Castlin (35:02 Minuten).
- Unser stärkster Rebounder: Viktor Kovacevic (11).
- Unser erfolgreichster Passgeber: Viktor Kovacevic (5).
- Unsere höchste Führung: 78:55 (+23), 38. Minute.
- Unsere erfolgreichste Serie: 12:0 zum 61:49, 32. Minute.
- Unsere emotionalen Beobachter: 2079 Zuschauer in der Osthalle.
- Unser nächster Auftritt: Donnerstag, 15. Mai (19.30 Uhr), in der Sparkassen-Arena in Jena.
Playoff-Viertelfinale der 46ers: Spiel eins nach Overtime 109:98 bei den Eisbären Bremerhaven gewonnen, Spiel zwei 86:74 gegen Bremerhaven gewonnen, Spiel drei 69:83 in Bremerhaven verloren, Spiel vier 80:61 gegen Bremerhaven.
Die anderen Playoff-Viertelfinals, Spiel vier: Phoenix Hagen – HAKRO Merlins Crailsheim 100:93 (Playoff-Stand 2:2), Tigers Tübingen – VET-CONCEPT Gladiators Trier 95:100 (Playoff-Stand 1:3, Trier weiter).
Playoff-Viertelfinale, entscheidendes Spiel fünf: HAKRO Merlins Crailsheim – Phoenix Hagen (Samstag, 20 Uhr).
Playoff-Halbfinale, Spiel eins: Science City Jena – GIESSEN 46ers (Donnerstag, 15. Mai, 19.30 Uhr), VET-CONCEPT Gladiators Trier – Crailsheim/Hagen (Donnerstag, 15. Mai, 19.30 Uhr).