Vor dem Match bei seinem Ex-Club aus Kirchheim beschwört 46ers-Cheftrainer „Frenki“ Ignjatovic: „Wir schauen nur von Spiel zu Spiel“
Branislav Ignjatovic lebt seit über 30 Jahren in Hessen. Seit Akzent verrät, dass er aus Ex-Jugoslawien stammt. Sein Wortwitz aber lässt durchblicken, dass ihm die deutsche Sprache ähnlich vertraut ist wie so manche hiesige Gepflogenheit. Anders herum: Wer Fußball-Fan ist, schaut sonntags den „Doppelpass“ auf Sport1. Und kennt deshalb auch das „Phrasenschwein“, für das fünf Euro fällig werden, sollte ein Studiogast behaupten, der Ball sei rund oder der nächste Gegner sei der schwerste.
„Frenki“ Ignjatovic zahlt die fünf Euro gerne. Wenn schon nicht ins „Phrasenschwein“, so halt in die Mannschaftskasse, denn der Cheftrainer der JobStairs GIESSEN 46ers behauptet felsenfest: „Wir schauen nur von Spiel zu Spiel“. Um gleich eine Begründung nachzureichen: „Eine mittelfristige Planung ist in dieser wahnsinnig ausgeglichenen Liga sinnlos. Zu sagen, wir wollen nach soundsoviel Partien soundsoviel Punkte haben, bringt nichts.“ Also: Auf zu Durchgang acht in der BARMER 2. Basketball-Bundesliga ProA, hin zu den BOZIC ESTRICHE Knights Kirchheim, bei denen am Samstag (19 Uhr) das zweite von drei November-Auswärtsspielen auf die Mittelhessen wartet.
Eines, das es in sich hat, denn der Serbe saß zwischen 2008 und 2014 bei den „Rittern“ auf der Bank. Er führte Kirchheim 2013 sogar in die Bundesliga, die Knights allerdings nahmen in Ermangelung einer tauglichen Halle ihr Aufstiegsrecht nicht wahr. Ein Jahr später beendete Ignjatovic sein Engagement in der Kreisstadt rund 25 Kilometer südöstlich von Stuttgart, „allerdings ohne Groll“, wie er auch ein Jahrzehnt später gerne betont.
Auch mit Hausherren-Übungsleiter Igor Perovic verbindet den 46ers-Coach eine ganz spezielle Freundschaft. 2009 kam eine Zusammenarbeit bei den Tigers Tübingen zwar nicht zustande, viele Jahre später aber empfahl Ignjatovic seinen Landsmann in Kirchheim, wo dieser inzwischen in seiner vierten Saison gute Arbeit leistet. Die beiden Kumpels aus Belgrad telefonieren jede Woche mehrmals, „nur in dieser hat er sich nicht gemeldet und Albin Mauz, der unter uns beiden Assistent war und ist, vorgeschickt“, lacht Ignjatovic herzerfrischend, wenn er daran denkt, in die Sporthalle Stadtmitte zurückzukehren.
„Ich werde dort viele Freunde treffen“, glaubt der 57-Jährige, der aber auch weiß, dass Partien bei seinem ehemaligen Arbeitgeber kein Zuckerschlecken sind. „In der Halle ist immer die Hölle los. Unter den Körben sitzen sie auf Gartenstühlen und toben. Diesem Druck müssen wir standhalten“, fordert Ignjatovic, der „volle Kapelle“ vermeldet. Was bedeutet, dass er auch Neuzugang TreVion Cruse, der unter der Woche seinen sportlich nicht überzeugenden US-Landsmann Lamar Norman Jr. ersetzte, ins kalte, unter Teck aber durchaus schnell brodelnde Wasser werfen wird.
Um sich einer „Ritter“-Truppe zu erwehren, die von den letzten vier Partien drei verloren und deshalb im Ringen um die Playoffs einen kleinen Rückschlag erlitten hat. „Sie haben bisher ihre Hausaufgaben gemacht“, verweist „Frenki“ Ignjatovic auf die Kirchheimer Erfolge gegen Vechta II, Bremerhaven, Nürnberg und Düsseldorf. Mehr aber auch nicht, denn gegen die Teams auf Augenhöhe wie Frankfurt, Hagen und Dresden setzte es Niederlagen. Die der 46ers-Headcoach aber nicht als Gießener Vorteil sehen will.
„Sie haben besonders auf den Guard-Positionen Klasseleute“, warnt der Serbe vor dem aus dem englischen Bristol gekommenen Michael Miller (kommt bisher auf durchschnittlich 19 Punkte, drei Assists und acht Rebounds) sowie dem letztjährigen Topscorer Michael Flowers (20 Punkte, vier Assists, sechs Rebounds), die das Kirchheimer Spiel durchweg tragen. Da auch US-Big Man Nick Muszynsky stets in der Lage ist, zwölf Punkte bei sieben Rebounds aufzulegen und sein Backup, 2,13-Meter-Hüne Antonio Dorn, immer für neun Zähler gut ist, sind die Schwaben zu beachten.
„Wenn wir Miller und Flowers kontrolliert bekommen, haben wir gute Chancen, zwei Punkte mit nach Hause zu nehmen“, so Ignjatovic. Was nicht gerade nach fünf Euro fürs Phrasenschwein klingt …
17.11.23