Für die GIESSEN 46ers endete die easyCredit Basketball Bundesliga-Saison 2018/2019 leider mit einer Niederlage gegen den Derbykonkurrenten FRAPORT SKYLINERS. Wie hast du das Hessenderby erlebt – insbesondere die letzten Sekunden?
Es war ein absolut packendes Derby mit gigantischer Unterstützung von unseren mitgereisten Fans – einfach Wahnsinn, unsere rote Wand in der Fraport Arena zu sehen. Das zeigt, wie Gießen zusammensteht und das war genau die Unterstützung für unsere Mannschaft, die ich mir an jedem einzelnen Spieltag wünschen würde. Die Niederlage schmerzt natürlich besonders, aber trotzdem haben wir von den letzten vier Hessenderbys drei gewonnen. Die Quote spricht also für uns und ich denke, wir haben uns gut verkaufen können und können mit einem ordentlichen Gefühl in die Sommerpause gehen.
Wie schätzt du die gesamte Saison ein und wie empfindest du die Entwicklung der Mannschaft?
Ich bin an der Stelle etwas zwiegespalten. Wir sind sehr stark in die Saison gestartet und haben unheimlich für Furore und Aufsehen gesorgt. Dann haben wir durch verschiedene Umstände ein bisschen den Faden verloren, was sehr schade ist, denn die Mannschaft hatte wesentlich mehr Potential. Die Netto-Botschaft bleibt für uns trotzdem die gleiche: Wir hatten zu keinem Zeitpunkt etwas mit dem Abstieg zu tun und das ist für uns als GIESSEN 46ers das Entscheidende. Wir müssen weiterhin realistisch bleiben und kleine Schritte machen.
Welche Schlussfolgerungen schließt du daraus für die anstehende Saison?
Wir hatten uns für die Saison vorgenommen, mit erfahrenen Spielern gerade in kritischen Spielsituationen etwas Ruhe, Sachlichkeit und Erfahrung reinzubringen. Genau das ist uns leider nicht gelungen und es waren gerade die erfahrenen Spieler, die oft in den entscheidenden Momenten das Zepter nicht in die Hand genommen haben. Das hat mich persönlich besonders enttäuscht, wenn man sieht, welche Spiele wir wie verloren haben: Die, bei denen wir zwischendurch mal mit 22 Punkten geführt haben oder eben die, in denen die Entscheidung in den letzten Sekunden fiel. Wenn man da auf die nötige Cleverness und Routine erfahrener Spieler zurückgreifen kann, hätte man die durchaus auch gewinnen können. Um die Frage zu beantworten: Uns haben eindeutig die Athletik und der Speed gefehlt. Wir waren relativ schnell in der Offense, aber dann nicht punktgenau zurück in der Defense. Deshalb werden wir für die kommende Saison wesentlich mehr Wert auf Athletik, Dynamik und Geschwindigkeit legen. Ich glaube zwischenzeitlich hatten wir auch ein kleines Mentalitätsproblem, da nicht jeder an seine Leistungsgrenze gegangen ist. Wir brauchen deshalb Spieler, die dahin gehen, wo es weh tut, denn dann werden Spiele gewonnen. Faktoren wie Körpersprache, Engagement, Leidenschaft Kampfgeist und Wille werden in der Kaderzusammenstellung auch eine große Rolle spielen.
Gerade mit Bjarne Kraushaar und Alen Pjanic konnten sich dennoch die heimischen Eigengewächse im BBL-Kader etablieren und beweisen. Ebenso schlossen sie mit unserem Farmteam in der BARMER 2. Basketball Bundesliga erneut mit dem Viertelfinaleinzug der Playoffs ab. Wie beurteilst du die Saison der Rackelos und deren Entwicklung nach dem zweiten Jahr?
Ich bin sehr zufrieden. Wir sprechen gerade mal über die zweite Saison und unsere Rackelos haben sich schon als Marke hier in der Region etabliert. Eins ist aber auch ganz klar: Die Rackelos sind für uns die Ausbildungsbasis und das gelingt den Coaches wirklich sehr gut! Spieler werden gefördert, gefordert und weiterentwickelt. Unser Trainerteam bereitet sie gleichzeitig auf den nächsten Step vor. Von daher geht es bei den Rackelos nicht um Viertelfinale oder Halbfinale – daran wird der Erfolg nicht gemessen. Die Gradlinie ist bei uns vielmehr, wie sich die Spieler weiterentwickeln und in diesem Bezug wird ein super Job gemacht, worauf wir mit Sicherheit aufbauen werden.
Du konntest auch für kommende Saison erneut weiter für Kontinuität sorgen und mit beiden Rackelo-Coaches verlängern. Welche Bedeutung wird das für die kommenden Spielzeiten bei den GIESSEN 46ers haben?
Wir wollen immer sportlichen Erfolg haben und sind natürlich auch ambitioniert. Aber klar ist auch, dass wir als GIESSEN 46ers für eine einheitliche Spielphilosophie und Identifikation stehen müssen und das schaffst du einfach nur, wenn du Kontinuität auf den Trainerpositionen schaffst. Unser Miteinander mit dem Coaching-Staff der ProB wie auch der BBL ist exzellent mit einer sehr offenen, ehrlichen und konstruktiven Kommunikation. Von daher schließt sich da ein Kreis, der sehr gut funktioniert. Weitergehend geht es dann natürlich darum, eine breitere Basis für das komplette Thema Jugendarbeit zu schaffen. Ich weiß, dass da alle vier handelnden Coaches nicht nur auf ihr eigenes Team konzentriert sind, sondern an das große Ganze denken und das ist das Entscheidende. Wir werden niemals in der Lage sein, teure Spieler zu verpflichten. Deshalb muss der Grundstein für die Zukunft in der Jugendarbeit gelegt werden – und da ziehen alle Gießener Coaches an einem Strang.
Du hast den Nachwuchs bereits kurz angerissen. Wie sehen dort die weiteren Schritte aus?
Ein weiterer wichtiger Schritt im Nachwuchsbereich ist uns mit der Neugründung einer U12 und U14 Mannschaft gelungen. Für uns ist es wichtig, dass wir mit den besten Spielern der Region eine gemeinsame Philosophie verfolgen und das von klein auf. Bei anderen Sportarten ist das ja nicht anders: Trainingsinhalte werden aufeinander abgestimmt und Spielsysteme werden einstudiert. Das bedeutet, wenn ein Spieler von der U12 in die U14 wechselt, er genau weiß, was er auf seiner Position zu tun hat. Das sorgt für reibungslose Übergänge und das ist es, was wir verfolgen wollen. Das andere ist, dass es in Jugendmannschaften nicht nur um Körbe werfen und Systeme laufen geht, sondern auch um Sozialkompetenz. Wir möchten dort auch bestimmen, welcher Trainer welche Mannschaft trainiert, weil es auch wichtig ist, dass die Eltern das Gefühl haben, dass ihre Kinder gut in einer Organisation aufgehoben sind. Unsere Aufgabe ist es nicht nur, Jugendliche zu fordern, sondern sie auch in ihrer Persönlichkeit entsprechend weiterzuentwickeln.
Die Kaderplanungen für die kommende Saison sind in vollem Gange. Doch welche Herausforderungen müssen neben den Spielerverpflichtungen noch gemeistert werden?
Unsere Aufgabe ist es, realistische Einschätzungen abzugeben und es ist auch keine Selbstverständlichkeit, dass die GIESSEN 46ers in der Basketball Bundesliga spielen. Das wird häufig mit einer Handbewegung abgetan. Aber ab der kommenden Saison gibt es den Mindestetat von drei Millionen Euro um überhaupt teilnehmen zu dürfen und da wird die BBL auch ziemlich kompromisslos entscheiden. Das heißt, wir müssen diesen Etat bedingungslos und uneingeschränkt erreichen und uns deshalb bis zur Decke strecken. Man darf nicht vergessen, dass Themen wie Farmteam oder Jugendmannschaften ebenfalls Geld kosten und entsprechend abgedeckt werden müssen. Deshalb müssen wir auf der Geschäftsstelle sehr gut aufgestellt sein, um das alles zu bewältigen und weiterzuentwickeln. Natürlich haben wir unsere Visionen, aber klar ist auch, wir brauchen dafür den absoluten Zusammenhalt aller Unternehmen in Gießen und der Umgebung, um weiter BBL-tauglich zu sein. In den nächsten zwei Jahren wird sich in der Bundesliga die Spreu vom Weizen trennen. Daher geht es für die GIESSEN 46ers ausschließlich darum, sich in der Basketball Bundesliga zu etablieren und so früh wie möglich nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben. Trotzdem wollen wir weiterhin für die eine oder andere sportliche Überraschung sorgen.
Danke für das Gespräch, Heiko!