Schaffartziks Dreier lässt Gießen jubeln

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Was für ein fantastischer Abend in der Sporthalle Gießen-Ost ! Die LTi 46ers zeigten im Heimspiel gegen Bonn ganz viel Kampfgeist, bogen eine Partie, die fast schon verloren schien, noch um und konnten nach einer nervenaufreibend spannenden Endphase den ersten Saisonsieg feiern. Drei Sekunden vor der Schluss-Sirene versenkte Heiko Schaffartzik einen Dreier aus rund siebeneinhalb Metern Entfernung zum Korb und sorgte so für den 70:67-Endstand sowie Riesenjubel auf den Rängen, die Fans waren völlig aus dem Häuschen.

3956 Zuschauer, so viele wie noch nie zuvor seit dem vor zwei Jahren erfolgten Ausbau der Halle und dem DM-Finalhinspiel 1975 gegen den USC Heidelberg (damals sollen 4000 Zuschauer dabei gewesen sein), waren zum Heimspiel gekommen und hatten für eine fast restlos ausverkaufte Hütte gesorgt. Unter den Fans befanden sich auch rund 500 Angestellte aus den Standorten der LTi-Unternehmensgruppe, ein Großteil war aus Nordrhein-Westfalen angereist. Der Exklusivpartner und Namenssponsor der 46ers fungierte bei der Partie als “Sponsor of the day”.

Die von rund 200 Fans unterstützten Telekom Baskets hatten das Spiel mit ihrer aggressiven Verteidigung lange Zeit im Griff. Gegen die wechselnden Verteidigungsvarianten der Bonner, die auch hin und wieder eine Zonenpresse über das ganze Feld einstreuten und ständig eine oder zwei Hände in die Passwege der 46ers-Fünf bekamen, gerieten die Angriffsbemühungen der bis dato sieglosen Hausherren immer wieder massiv ins Stocken. Die von dieser Defense sichtlich beeindruckten 46ers hatten zehn ihrer am Ende 13 Ballverluste in der ersten Hälfte zu verzeichnen.

Da auch gegen die gerade in Korbnähe äußerst massierte Deckung der Gäste kaum ein Durchkommen war und die Trefferquote aus dem Zweipunktebereich zu wünschen übrig ließ (4 von 14 in den ersten 20 Minuten), fanden die LTi 46ers, die bemüht waren, den Ball in die Bonner Zone zu bekommen, offensiv nicht wirklich in einen Rhytmus. Hinzu kamen viele Pfiffe der Schiedsrichter, die während der 40 effektiven Spielminuten 55-mal auf Foul entschieden (26 gegen Gießen, 29 gegen Bonn). So wurde ein Großteil der Partie an den Freiwurflinien ausgetragen, wo Bonn zumindest in der ersten Hälfte keine Schwächen zeigte (88 Prozent, 15 von 17). Auch Gießen traf in den ersten 20 Minuten respektable 78 Prozent (14/18) von der “Linie” .

Nachdem die Truppe des gebürtigen Lichers Michael Koch sich eine 10:3-Führung (4.) erspielt hatte, geriet die Halle nach dem anschließenden 9:0-“Run” der Gastgeber erstmals ins Brodeln (12:10/6.). Der Vizemeister hatte aber die richtige Antwort parat, ließ bis zum Viertelende einen 11:0-Lauf folgen (12:21, Dreier Frazier kurz vor der Sirene). Trotz des Ausfalls seines bis dato besten Punktesammlers. Brandon Bowman war beim Stande von 12:14 zu Beginn der neunten Minute umgeknickt und umgehend zur Behandlung in die Kabine gehumpelt, kehrte aber nicht wieder aufs Spielfeld zurück.

Das zweite Viertel begann mit sechs Fouls der Gäste in den ersten 180 Sekunden, die mit ihrer Athletik andererseits aber auch viele Offensivrebounds abgriffen und zu zweiten Wurfchancen kamen. Die 46ers verkürzten auf 26:29 (Terdenge-Freiwürfe, 16.), gerieten bis zur Pause durch einen 2:10-Lauf aber wieder deutlicher ins Hintertreffen. Vor allem die beiden Gäste-Guards Frazier (14 Punkte) und Rowland (9) hatten dem Spiel bis dahin ihren Stempel aufgedrückt.

Die 46ers-Akteure kamen mit viel Dampf aus der Kabine, die Körpersprache auf dem Feld wirkte positiver, entschlossener als noch in Hälfte eins. Nachhaltig verringern konnte man den Rückstand zunächst jedoch nicht. Bonns Flügel Vincent Yarbrough hatte etwas dagegen, traf Mitte des dritten Viertels zwei Dreier und vergrößerte den Bonner Vorsprung auf 13 Zähler (38:51/27.). Die hohe Foulbelastung forderte bereits im dritten Viertel erste Opfer, Baskets-Center Patrick Flomo war in der 28. Minute der erste Spieler, der mit fünf persönlichen Fouls vom Feld musste.

Nach dem 43:54 (29.) sollte sich das verbesserte Auftreten der Gießener Fünf in der Offensive und die im Vergleich zur ersten Hälfte noch einmal erhöhte Intensität in der Verteidigung endlich auch im Punktestand bemerkbar machen. Ein 8:0-“Run” führte zum 51:54 (33.). Rowland traf “für drei” zum 51:57, doch Gießen scorte jetzt hochprozentig aus der Distanz. Jeffers’ Sprungschuss aus fünfeinhalb Metern Korbentfernung und Dreier von Umeh und Terdenge gegen die Bonner Zone saßen, führten zum 60:62-Anschluss (38.). “Flo” Hartenstein war eine halbe Minute zuvor mit fünf Fouls ausgeschieden, Michael Umeh folgte dem Kapitän aus dem gleichen Grund wenig später beim Stande von 62:62 auf die Bank.

Die Freiwurfschwäche der Bonner im letzten Viertel tat ihr Übriges dazu bei, dass die LTi 46ers nun vollends Oberwasser hatten. Bonn traf in den letzten zehn Minuten nur drei von neun Freiwürfen. Nach einem erneuten erfolgreichen Dreipunkteversuch von Heiko Schaffartzik (sein zweiter an diesem Abend) lagen die Gastgeber erstmals seit Minute sechs wieder in Führung (65:63/39.), die Stimmung in der Halle hatte den Siedepunkt längst erreicht. Ein energischer Korbzieher von Maurice Jeffers, bärenstark abgeschlossen gegen Bonns 2,10m-Hünen Ken Johnson, führte zum vielumjubelten 67:63 (45 Sekunden Restspielzeit).

Nach einer Auszeit antwortete Yarbrough mit einer Dreier “aus der Ecke” gegen die heranfliegenden Terdenge und Lischka cool zum 67:66 (33 Sekunden). Im folgenden Angriff spielte Gießen die Zeit mit dem ballführenden Heiko Schaffartzik lange herunter, Bonn foulte nicht. Nach einer Penetration von Schaffartzik gelangte der Ball bei drei verbleibenden Sekunden auf der Schussuhr zu dem an der Dreierlinie lauernden Maurice Jeffers, dessen Dribbelbeginn von den Schiedsrichtern aber mit einem Schrittfehler geahndet wurde. Zehn Sekunden vor dem Ende waren die Telekom Baskets also in Ballbesitz.

EJ Rowland brachte den Ball nach vorne und zog schnellen Schrittes auf dem Weg zum Gießener Korb in Höhe der Dreierlinie ein Foul gegen den ihn verteidigenden Heiko Schaffartzik. Da die Teamfoulgrenze zu diesem Zeitpunkt, sechs Sekunden vor Schluss, auf beiden Seiten natürlich längst überschritten war, durfte Rowland an die Linie. Ohrenbetäubender Jubel in der Halle, als der Bonner Spielmacher den ersten Wurf nicht durch die Reuse befördern konnte. Den zweiten traf der US-Amerikaner zum 67:67. Auszeit 46ers.

Knisternde Spannung in der Osthalle, keinen hielt es jetzt mehr auf den Sitzen. Robert Maras passte den Ball bei Wiederaufnahme an der Mittellinie zu Heiko Schaffartzik. Der Aufbauspieler – so war es in der Auszeit besprochen worden – sollte einen Block von Gerrit Terdenge nutzen, um zum Korb zu ziehen. Der 24-jährige Berliner entschied sich jedoch anders, drückte bei vier verbleibenden Sekunden auf der Uhr aus gut und gerne siebeneinhalb Metern ab. 

Und swuuusssch, über Verteidiger EJ Rowland hinweg schwebte die Kugel ohne Ringberührung durch die Bonner Reuse. Unbeschreiblicher Jubel auf den Rängen, Umarmungen auf dem Feld, wo der ausgefoulte Michael Umeh völlig losgelöst eine Ehrenrunde lief und dann zielgerade auf Heiko Schaffartzik zusteuerte und den Matchwinner ganz fest an seine Brust drückte.

Trainerstimmen:

Simon Cote (LTi GIESSEN 46ers): “Bonn hat das Spiel lange Zeit kontrolliert, ich hatte phasenweise eigentlich nicht mehr wirklich daran geglaubt, dass wir das Spiel noch umbiegen können. Wir haben in der zweiten Hälfte eine tolle Defense gespielt und zum ersten Mal in dieser Saison gut aus der Dreipunkteregion getroffen. Die Freiwürfe in der Endphase des Spiels haben dann das Momentum auf unsere Seite gezogen. Am Ende haben wir die big shots gemacht, Heiko (Schaffartzik) hat in unserem letzten Angriff einen ganz schwierigen Schuss getroffen. Eigentlich hatten wir in der Auszeit etwas anderes geplant: Gerrit (Terdenge) sollte einen Block für Heiko stellen, dieser daraufhin penetrieren und den Ball dann zu Gerrit passen, der den letzten Wurf nehmen sollte. Okay, Heiko hat sich dann dazu entschieden, dieses System zu verweigern (lacht). So ist Basketball halt, Spieler entscheiden Spiele! Warum wir Heiko im Sommer verpflichtet haben, hat er heute gezeigt. Er ist ein Gewinnertyp, ein Spieler, der diese entscheidenden Situationen sucht.

Wir haben sehr hart für diesen Sieg gearbeitet, mussten aber lange auf dieses Erfolgserlebnis warten. Das war heute kein schönes Basketballspiel. Bonn hat uns mit seinen wechselnden Verteidigungsvarianten große Probleme bereitet, wir haben offensiv keinen Rhytmus gefunden und uns kein Selbstvertrauen holen können. Über weite Strecken des Spiels lief es für uns nicht so, wie wir das vorher geplant hatten. Aber die Jungs haben einen Weg gefunden, sich durch dieses Spiel durchzukämpfen und sind dafür belohnt worden. Auf unsere heutige Leistung können wir aufbauen.

Natürlich hat auch der Ausfall von Bowman eine Rolle gespielt. Gerrit hat ihn in den acht Minuten, in denen er auf dem Feld war, gut unter Kontrolle gehabt, aber es wäre sicher schwer geworden, Bowman über die ganze Spielzeit auszuschalten. Corey (Rouse) war gehandicapt ins Spiel gegangen, er hat große Probleme im unteren Rückenbereich. Er konnte sich kaum bewegen, hat aber auf die Zähne gebissen. Als wir im Spiel gesehen haben, dass er keinen Rhytmus findet, haben wir es nicht weiter forciert und ihn im letzten Viertel draußen gelassen.”

Michael Koch (Telekom Baskets Bonn): “Glückwunsch an Simon Cote und Gießen. Wir haben das Spiel lange beherrscht. In der zweiten Halbzeit hat Gießen dann mehr Druck gemacht und besser verteidigt. Ausschlaggebend war, dass wir am Ende unsere Freiwürfe nicht getroffen haben. Obwohl wir mit Winsome Frazier auch unseren besten Freiwurfschützen an der Linie stehen hatten, haben wir da zu viele einfache Punkte liegen gelassen. Nichtsdestotrotz hat Gießen eine Top-Leistung gezeigt. Vor dem letzten Gießener Angriff haben wir uns dazu entschieden zu verteidigen und nicht zu foulen. Heiko hat einen schwierigen Dreier aus dem Dribbling getroffen. Hut ab dafür!

Eigentlich ist es so, dass die Spieler ein Spiel beherrschen und entscheiden sollten. Heute war es so, dass die Schiedsrichter es beherrscht und Heiko es entschieden hat. Es wird zur Zeit sehr kleinlich gepfiffen, wir müssen uns daran gewöhnen. Die Zuschauer haben dadurch ein sehr zerfahrenes Spiel zu sehen bekommen. Wir haben genau wie Gießen ein schweres Auftaktprogramm hinter uns. Gegen Oldenburg und Frankfurt konnten wir zeigen, dass wir gut spielen können, auch in Berlin war unsere Leistung ganz okay. Uns wird diese Niederlagenserie nicht umwerfen, wenn wir die richtigen Schlüsse daraus ziehen.”

Punkteverteilung:

LTi GIESSEN 46ers: Jeffers (13), Umeh (16), Terdenge (10), Lewis (2), Lischka (4), Maras (11), Rouse (1), Freese (n. e.), Schaffartzik (13), Hartenstein (0).

Telekom Baskets Bonn: Rowland (19), Frazier (17), Strasser (0), King (2), Diagne (6), Clifford (0), Kolodziejski (1), Yarbrough (11), Flomo (1), Bowman (2), Johnson (8).

Scouting

Foto-Galerie

Alle Bilder: MEDIASHOTS Werbefotografie.

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