Sebastian Schmidt im Interview – Rück- & Ausblick

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Geschäftsführer und Sportdirektor der JobStairs GIESSEN 46ers Sebastian Schmidt stellt sich nach dem easyCredit BBL-Abstieg einigen Fragen. Neben der ehrlichen Analyse der aktuellen Spielzeit werden verschiedene Themenfelder für die kommende BARMER 2. Basketball Bundesliga ProA-Saison 2022/23 unter die Lupe genommen.    


Um gleich mal eine kritische Frage voran zu stellen. Was ist in der Saison alles schiefgelaufen? Und wo liegen die Ansatzpunkte, dem in der kommenden Saison vorzubeugen?

Da muss man innerhalb der Saisonanalyse schauen, auf welchen verschiedenen Ebenen wir welche Ergebnisse hatten. Das kann man emotional und auch rational betrachten. Rational betrachtet war uns klar, dass die Saison aufgrund der Rahmenbedingungen und auch aufgrund der Wirtschaftlichkeit sehr schwierig werden wird. Ich muss sagen, dass ich zu Beginn der Saison insgesamt jedoch sehr positiv gestimmt war, gerade was die Kaderzusammenstellung anging mit Blake oder Alkins. Dass uns einige Leistungsträger verlassen mussten, war dann sehr unglücklich. Und damit kommen wir zum kritischen Punkt, dass die Nachverpflichtungen uns nicht auf allen Positionen weitergeholfen haben, auch wenn das Budget dafür sehr gering war. Das war im Vergleich zu anderen Clubs, die wirtschaftlich andere Bedingungen haben, eine andere Qualität, die konnten wir nicht matchen. Dementsprechend muss man die Nachverpflichtungen als einen Punkt nennen, da diese uns am Ende nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben. Da gilt es dann in der ProA anzusetzen, dass wir gute Jungs rekrutieren, sowohl vom Charakter her als auch von der sportlichen Qualität. In der ProA sieht das Recruiting aufgrund der Deutschen-Regelung natürlich anders aus und da müssen wir uns zuerst auf die deutschen Jungs konzentrieren und erst später die Ausländerspots besetzen.

Ein weiterer Punkt, mit dem natürlich auch alle anderen Standorte zu kämpfen hatten, war Corona. Das hat uns nicht nur wirtschaftlich weh getan, sondern vor allem hat auch die Bindung zu Fans und Sponsoren darunter gelitten. Ich hoffe, dass wir die Veranstaltungen, die wir brauchen, um die Nähe zu allen Club-Supportern aufrecht erhalten zu können, so schnell wie möglich wieder aufleben lassen können.

Wie möchte sich der mittelhessische Traditionsclub für die kommende Spielzeit in der BARMER 2. Basketball Bundesliga ProA aufstellen?

Für uns wird es extrem wichtig sein, eine authentische Mannschaft auf die Beine zu stellen. Das ist leichter gesagt als oftmals getan. Wir brauchen eine Mannschaft, mit der sich die Gießener Fans hier wieder identifizieren können und mit welcher wir am Ende – das sollte unser Ziel sein – in die Playoffs kommen. Das wird aufgrund der aktuellen Bedingungen in der ProA, die sich in den letzten Jahren sukzessive immer weiter verbessert hat, auch alles andere als leicht sein. Aber das sollte definitiv unser Ziel sein.

Dabei wird der Cheftrainer eine wichtige Rolle einnehmen. Kannst du dazu schon etwas sagen? Und wie sieht bei Spielern im aktuellen und zukünftigen Kader aus?

Der Cheftrainer wird selbstverständlich eine zentrale Rolle einnehmen. Während ich im Vorfeld der Saison sowohl den Trainer als auch deutsche Spieler rekrutiere, um die Basis zu legen, wird der Coach ab Tag eins der Unterschrift und dann auch ab Start der Vorbereitung das spieltaktische Heft der Truppe in die Hand nehmen. Fest steht, dass Pete Strobl ab der kommenden Saison nicht mehr unser Cheftrainer sein wird und wie es beispielsweise auch mit der Co-Trainerposition aussieht, ist noch offen und hängt dann natürlich auch vom neuen Cheftrainer ab.

Das Headcoach-Profil klingt in Worten ganz simpel, ist aber in der Praxis alles andere als leicht. Ich suche nach einem Trainer, der zu uns nach Mittelhessen und speziell in die Gießener Region passt. Der Coach soll im Idealfall Erfahrung auf einem Topniveau mitbringen, Spieler weiterentwickeln und die Mannschaft aus diversen Charakteren zu einer Einheit und zu einem Team formen. Welches durch Dick und Dünn geht und zu jederzeit alles auf dem Parkett lässt.

Ich war und bin in diversen Gesprächen mit Trainern und deutschen Spielern. Ich bin sehr optimistisch, dass wir hier auch in den nächsten ein bis zwei Wochen Personalien verkünden können.

Zum Thema Spieler lässt sich sagen, dass in der ProA vor allem das Rekrutieren von deutschen Spielern sehr wichtig ist – noch viel wichtiger als in der BBL. Aufgrund der „Ausländerregelung“ brauchen wir starke, spielfähige deutsche Jungs. Aktuell hat nur Maxi Begue einen Vertrag für die ProA. Dass ich außerdem mit Spielern wie Tim Uhlemann, Dennis Nawrocki, Bjarne Kraushaar, Kilian Binapfl und Florian Koch gerne weiterarbeiten würde, habe ich bereits mehrfach angedeutet. Ob uns das gelingt, wird man in den nächsten Wochen sehen. Zudem bin ich in guten Gesprächen mit anderen deutschen Spielern.

Durch den Abstieg hat sich auch die Ausrichtung der JobStairs GIESSEN 46ers etwas verschoben. Wie soll es zum Beispiel mit den Depant GIESSEN 46ers Rackelos weitergehen?

Klar ist, dass wir als ProA-Club leider keine eigenständige ProB-Mannschaft stellen können. Dies ist schon alleine wirtschaftlich nicht möglich. Deswegen sind wir im Austausch mit unseren Kooperationspartnern: den in die ProB-aufgestiegenen Gießen Pointers und der BBA. Für mich ist es wichtig, dass wir am Standort Gießen eine starke ProB-Mannschaft haben, damit wir die Durchlässigkeit von der Jugend über die ProB und der ProA sicherstellen können und somit den Spielern eine optimale Plattform zur Weiterentwicklung bieten. In welcher Form das möglich ist bzw. welche Lösung dafür mit allen Beteiligten gefunden werden kann, zeigt sich hoffentlich bald. Sobald es etwas Spruchreifes zu verkünden gibt, werden wir informieren.

Neben dem sportlichen Aspekt und Interessenfeld, wie ist die Ausgangslage bei den Sponsoren? Welche Signale sind aus diesem Umfeld zu hören?

Das sind ganz unterschiedliche Signale, das muss man klar sagen. Mit dem Abstieg in die ProA bestehen natürlich Risiken, dass bestehende Partnerschaften gegebenenfalls nicht fortgesetzt werden. Grundsätzlich muss man sagen, dass beispielsweise gerade auch die Premium-Partner signalisiert haben, dem Club die Treue halten zu wollen – auch in der ProA. Das ist für uns elementar wichtig, Sponsoren mitzunehmen und neue zu generieren. Die ProA ist für uns auch wieder ein Neustart. Wir müssen nach vorne schauen und uns weiterentwickeln. Da sind die Sponsoren in einer sehr zentralen Rolle. Es ist außerdem kein Geheimnis, dass wir insbesondere durch den Wegfall der TV-Gelder von MagentaSport die Sponsoren in der Region umso mehr brauchen. Da sind wir in guten Gesprächen, obwohl man sich sicher vorstellen kann, dass da nicht immer alles rosa-rot ist, das ist harte Arbeit, dass die Sponsoren am Ball bleiben und uns nach wie vor unterstützen und die Treue halten.

Wie gestalten sich die Dauerkarten- und Ticketpreise für die kommende Saison?

Aufgrund des langen Zeitraums der Pandemie und dem daraus resultierenden Ausfall von Ticketeinnahmen während des partiellen und totalen Lockdowns, sowie der anhaltenden Inflation, können wir keine Preissenkung trotz des Ligaunterschieds vornehmen. Hätten wir die Klasse gehalten, wäre mit Sicherheit eine deutliche Erhöhung der Ticketpreise erforderlich gewesen. Unser Gleichbleiben ist unsere Erhöhung – dies muss man vorwegnehmen.

Uns ist bewusst, dass wir nun in der BARMER 2. Basketball Bundesliga ProA sind, aber man muss auch verstehen, dass wir die letzten zwei Jahre wieder aufholen müssen und die aktuell wirtschaftliche Lage uns alle betrifft. Damit sind natürlich auch die Dauerkarteninhaber und Basketballinteressierten gemeint, denen wir selbstverständlich für den Eintritt ein schönes Event bieten wollen. Das wird unser Bestreben sein.

Trotz der schmerzlichen Umstände des Abstiegs, wollen wir kurz in die Zukunft schauen. Welchen Ausblick kannst du uns für die kommende Spielzeit und die nächsten Jahre geben?

Wichtig wird sein, dass wir im nächsten Jahr in der ProA erstmal einen souveränen und soliden Auftritt hinlegen. Man hat es auch bei anderen Clubs gesehen, die abgestiegen sind: Das wird nicht einfach werden. Das wäre der erste Step. Der zweite wäre dann, auch wenn das aufgrund der Infrastruktur in Gießen nicht leicht ist, mittel- und langfristig in die easyCredit BBL zurückzukehren. Das muss unser Ziel sein und daran arbeiten alle sehr hart dran, dass das wieder möglich sein wird. Dafür müssen jedoch diverse Parameter stimmen und das ist angefangen bei der Trainingshalle über eine Modernisierung der Spielhalle über die wirtschaftlichen Erlöse, ein großes Paket, bei dem auch die Stadt und die Politik mitspielen müssen. Daran ändert auch ein Abstieg nichts. Nur dann können wir in ein paar Jahren wieder in der BBL mitspielen. Auch, wenn ich da im Moment eigentlich noch nicht drüber sprechen will, ist auch klar, dass wenn die Möglichkeit besteht, wieder in die BBL aufzusteigen – sei es in einem, zwei oder drei Jahren – alles in Bewegung gesetzt wird, das dann auch wahrzunehmen. Das sind wir allen hier schuldig. Doch erstmal wird es jetzt darauf ankommen, in der ProA eine solide und gute Rolle zu spielen.

Vielen Dank, Sebastian!

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