Starker Beifall für Notaufgebot

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Eine halbe Minute vor dem Ende der Partie zwischen den LTi GIESSEN 46ers und ALBA Berlin erhoben sich die 3690 Zuschauer in der Sporthalle Gießen-Ost von ihren Sitzen und spendeten ihrer Mannschaft stehend Ovationen: Der Dank für eine gute Leistung der LTi 46ers, die am Samstagabend zwar nicht für ein Wunder gesorgt, sprich: den großen Favoriten aus der Hauptstadt besiegt hatten, das Spiel aber doch offener gestalten konnten als es im Vorfeld der Partie angesichts der personellen Probleme auf den großen Positionen für möglich gehalten worden war.

Zwei Minuten vor Schluss war das Team von Trainer Thorsten Leibenath noch bis auf sieben Punkte am Titelaspiranten dran (61:68), am Ende unterlag man der Berliner Star-Truppe, die mit den beiden frisch verpflichteten Ex-Spielern der Köln 99ers, Aleksandar Nadjfeji und Immanuel McElroy, angetreten war, mit 64:77 (28:34).

Corey Rouse (Bruch des Mittelhandknochens) und Gerrit Terdenge (Rückenbeschwerden) fehlten verletzungsbedingt. Try-Out-Spieler Aaron Johnson hätte zwar mitspielen sollen, saß aber ebenfalls nur in Zivil auf der Bank, weil die Anfang der Woche von den 46ers-Verantwortlichen beantragte Freigabe von seinem letzten Verein noch nicht vorlag. Der US-Amerikaner Johnson war vor der Saison von dem Zweitligisten Imola unter Vertrag genommen worden und sollte aufgrund seiner italienischen Wurzeln schnellstmöglich einen italienischen Pass erhalten, weil in der Lega Due (zweite italienische Liga) maximal zwei US-Amerikaner zum Einsatz kommen dürfen. Als sich dies verzögerte, ging Johnson kurzzeitig auch für einen Klub der vierten italienischen Division auf Korbjagd, um Spielpraxis zu sammeln. Der betreffende Klub muss nun die Freigabe erteilen und hat sieben Tage Zeit, sich zu äußern. Wenn diese Frist vergangen ist, was am Montag der Fall sein wird (11.02.), kann der Basketball-Weltverband FIBA eingeschaltet werden.

Zurück zum Spiel, in dem die in der Formation Trotter, Umeh, Roessler, Boxley und Hartenstein gestarteten Gießener eine starke Leistung zeigten und gegen den größenmäßig deutlich überlegenen Gegner schnell den Respekt ablegten. Was schon beim ersten Angriff sichtbar wurde, den die LTi 46ers mit dem mittlerweile bekannten Alley-Oop-Play spektakulär abschlossen, Michael Umeh hatte den zum Korb gecutteten Rouven Roessler mustergültig bedient. Und auch wenig später, als Michael Umeh mutig in Richtung ALBA-Korb zog und vorbei am 2,15 m großen deutschen Nationalcenter Patrick Femerling den Ball krachend in den Korb donnerte.

Bis zum 11:14 (Roessler aus der Mitteldistanz, 8.) konnten die LTi 46ers, die überwiegend mit einer Zonenverteidigung agierten, zwischendurch aber auch immer mal wieder Mann gegen Mann verteidigten, den Rückstand in Grenzen halten, ehe ALBA zwei Gießener Ballverluste nutzte, um auf 21:11 davon zu ziehen. Auch die Freiwurftrefferquote im ersten Viertel (33 Prozent, 2 von 6) trug dazu bei, dass die LTi 46ers mit einem Neun-Punkte-Rückstand (12:21) in die zweiten zehn Minuten gingen.

Zu Beginn des zweiten Viertels erhielt Gießens Center Flo Hartenstein, der im ersten Viertel durchgespielt hatte, dann eine erste kurze Verschnaufpause. Für ihn agierte nun der 2,00 m große Seamus Boxley auf der “Fünf”. Die fehlenden Zentimeter unter dem Korb führten aber nicht dazu, dass ALBA sich deutlicher absetzen konnte. Im Gegenteil, die Gastgeber konnten das Reboundduell weiter ausgeglichen gestalten, sich mit schnellen Passstaffetten gelegentlich gar einfache Punkte an ALBAs Brett erspielen und den Abstand verringern (22:27, Trotter-Dreier, 14.). Johannes Lischka. Bild: Mediashots Werbefotografie.Maßgeblichen Anteil daran hatte der Ende des ersten Viertels in die Partie gekommene Youngster Johannes Lischka, der sich bei seinem 14. Erstligaeinsatz in der ALBA-Zone gegen die Nadjfeji und Co. präsentierte, als ob er schon jahrelang in der BBL spielt und sechs Punkte im zweiten Viertel markierte – sehenswert sein Mitteldistanzwurf an der Berliner Grundlinie, den er im Zurückfallen über den ausgestreckten Arm von Femerling hinweg im Korb versenkte (24:31/17.).

Die LTi 46ers gestatteten den Berlinern in den letzten zweieinhalb Minuten der ersten Halbzeit keinen Korberfolg mehr. Nachdem der in der 14. Minute auf das Feld zurückgekehrte “Flo” Hartenstein einen Offensivrebound abgegriffen und auf 28:34 verkürzt hatte, war Sekunden vor dem Ende von Hälfte eins eine weitere Resutatsverkürzung drin, doch “Jo” Lischka verpasste den in die Zone gespielten Pass von Shawan Robinson knapp. Dennoch wurde die Gießener Rumpftruppe von den Fans mit viel Applaus in die Kabine veranschiedet.

Nach dem Wechsel war es Seamus Boxley, der die ersten vier Punkte erzielte und sein Team damit sogar auf zwei Punkte an den Favoriten heranbrachte (32:34). ALBA konterte mit einem 6:0-Lauf (32:40/24.) und hatte in der Folge in Point Guard Bobby Brown einen treffsicheren Distanzschützen gegen die Gießener Zonenverteidigung, der mit seinen vier erfolgreichen Dreipunktwürfen zwischen der 25. und 35. Minute dafür sorgte, dass der Abstand zwischen den beiden Teams nicht auf weniger als fünf Punkte schrumpfte. Nach einem Dreier von Marco Buljevic und einem erfolgreichen Mitteldistanzwurf von Michael Umeh hatten die LTi 46ers in der 28. Minute auf 43:48 verkürzt, ehe die Gäste mit einem Zwischenspurt auf 58:44 (Dreier Jenkins, 31.) enteilten.

Doch die Jungs um “Flo” Hartenstein wollten sich auch in dieser Phase nicht geschlagen geben. Kapitän Hartenstein drehte nun offensiv auf, setzte sich unter dem gegnerischen Brett innerhalb von 100 Sekunden zweimal im Eins-gegen-Eins gegen Femerling durch (50:61/33.). Als Obie Trotter wenig später zum Korb penetrierte und gegen die lange ALBA-Garde aus überaus schwieriger Wurfposition zum 52:61 traf, Berlins Shooting Guard Julius Jenkins einen Dreier an den Ring setzte und “Jo” Lischka im folgenden Schnellangriff ganz abgezockt den Kontakt mit Gegenspieler Dojcin suchte und bei einem Foul des ALBA-Forwards zum 54:61 ablegte (34.), erreichte die Begeisterung unter den Besuchern in der Sporthalle-Ost ihren Höhepunkt. Den fälligen Bonusfreiwurf verwandelte Lischka zum 55:61.

Nadjfeji nutzte anschließend eine der wenigen Unachtsamkeiten in der Gießener Defense zum 55:63. Der mittlerweile in die Partie gekommene Doppellizenzspieler Richard Poiger stand anschließend nach einem an den äußeren Rand des Ringes gesetzten Dreier von Trotter goldrichtig und staubte zum 57:63 ab. Ein Dreier von Bobby Brown aus rund acht Metern Entfernung zum Korb bei nur noch zwei verbleibenden Sekunden auf der Angriffsuhr und ein weiterer Nahdistanztreffer von Nadjfeji sorgten dann aber für die Vorentscheidung (58:68/37.). Nach einem Trotter-Dreier zum 61:68 war es erneut Lischka, der ein weiteres Ausrufezeichen setzte, als er einen Wurfversuch von Nikolic blockte (38.), doch Jenkins sicherte sich den Ball und traf zum 61:70.

Damit war das Gefecht gelaufen. Gänsehaut-Atmosphäre dann in den letzten Sekunden und nach dem Spiel, als die Truppe der LTi 46ers von den Fans mit lang anhaltendem Beifall und “Gießen”-Sprechchören bedacht wurde. Symbolwert bekommt hoffentlich der in die Höhe gestreckte Daumen von Rouven Roessler bei der anschließenden Handschlag-Verabschiedung von den Fans. Aufbauend auf die gestern gezeigte Leistung dürfen Mannschaft und Anhänger der LTi GIESSEN 46ers dem Vorhaben, die Erstklassigkeit auch über die Saison 2007/2008 hinaus zu erhalten, jedenfalls wieder etwas zuversichtlicher entgegen blicken.

Punkteverteilung:

LTi GIESSEN 46ers: Umeh (7), Terdenge (n. e.), Buljevic (3), Trotter (11), Lischka (11), Poiger (2), Robinson (0), Roessler (8), Boxley (11), Hartenstein (11).
ALBA Berlin: Brown (24), Zwiener (0), Dojcin (1), Subotic (n. e.), Jenkins (16), Nikolic (9), Femerling (10), Faßler (n. e.), Thompson (5), McElroy (4), Nadjfeji (8), Pantic (n. e.).

Zum Scouting.

Stimmen zum Spiel:

Luka Pavicevic (Cheftrainer ALBA Berlin): “Zunächst möchte ich meiner Mannschaft zu einer starken Leistung gratulieren. Wir sind ein besseres Team als Gießen, sind hierher gekommen um zu gewinnen und das haben wir meiner Meinung nach auf die richtige Art und Weise getan. Wir haben das Spiel von Beginn an durch die Verteidigung kontrolliert. Wir haben jetzt ein paar neue Spieler zu integrieren, und da ist es besonders wichtig, weiterhin erfolgreich zu bleiben – je schwerer die Spiele dabei sind, umso besser ist das für den Integrationsprozess. Ich möchte auch den 46ers zu einer starken Leistung gratulieren – insbesondere angesichts ihrer heutigen Personalprobleme – und hoffe, dass sie den Klassenerhalt schaffen, gerade weil Gießen ein Basketball-Standort mit einer großen Tradition ist.”

Thorsten Leibenath (Cheftrainer LTi GIESSEN 46ers): “Gratulation an Berlin. Es war offensichtlich, dass Berlin die bessere Mannschaft war. Sie haben das ganze Spiel über geführt. Insofern geht der Sieg absolut in Ordnung. Dennoch konnten wir heute erhobenen Hauptes vom Spielfeld gehen, weil wir ALBA einen harten Kampf geliefert haben. Unser Ziel ist es immer, gerade wenn wir in der eigenen Halle spielen, dass es dem Gegner nicht leicht gemacht wird zu punkten. Das ist uns heute über 40 Minuten gelungen. Ein weiteres Ziel war, strukturierter im Angriff zu spielen. Das ist uns über weite Strecken auch gelungen, auf jeden Fall besser als am letzten Wochenende in Göttingen.

Wir wollten im Rebound mithalten. Aufgrund unserer Ausfälle war es nicht unbedingt zu erwarten, dass uns das gegen eine so große Mannschaft wie die der Berliner gelingt. Aber wir haben das heute eindrucksvoll geschafft und ein ausgeglichenes Reboundverhältnis von 30:30 hinbekommen. Absolut zufrieden bin ich mit der kämpferischen Leistung: Spieler mussten auf Positionen spielen, die sie nicht gewohnt sind, mussten mehr Minuten geben. Es war eine sehr ungewöhnliche Rolle für unsere Spieler in dieser Besetzung anzutreten und ich denke, wir haben dafür eine ordentliche Leistung abgeliefert.

Dass es letztlich nicht gereicht hat, ist einfach zu erklären: Wir haben uns sehr häufig in Einzelaktionen verstrickt, in denen wir dann auch den Ball verloren haben. Unsere 13 Turnover im Vergleich zu den sechs der Berliner haben heute den Unterschied im Ergebnis ausgemacht. Trotz dieser Ballverluste haben wir erneut eine 53-prozentige Feldwurftrefferquote erzielt, was sehr positiv ist.

(…) Natürlich bin ich enttäuscht, denn ich gehe in jedes Spiel mit der Zielsetzung rein, das Spiel zu gewinnen. Ich weiß, nicht allzu viele Leute haben daran geglaubt, dass wir heute eine Siegchance gegen Berlin haben. Das war auch Teil meiner Ansprache in der Halbzeit, den Jungs klarzumachen, dass wir nicht spielen, um mitzuspielen, sondern spielen, um zu gewinnen. In der ersten Halbzeit hatte ich phasenweise den Eindruck, dass wir selbst gar nicht an einen Sieg glauben.

(…) Für uns wäre es sehr wichtig gewesen, Aaron Johnson auch mal gegen eine so starke Mannschaft wie ALBA und in Spielsituationen gegen Patrick Femerling oder Goran Nikolic zu sehen. Gerade aufgrund der Verletzungssituation bei uns hat er im Training bislang nur Flo (Hartenstein) als Gegenspieler gehabt. Die Eindrücke aus den bisherigen Trainingseinheiten sind jedoch überwiegend positiv gewesen. Flo und Aaron sind beides Kämpfer. Flo hat die positiven Eindrücke aus dieser Trainingswoche ins Spiel hinübergetragen und heute eine hervorragende Leistung abgeliefert.”

“Flo” Hartenstein (Center LTi GIESSEN 46ers): “Wir haben heute Abend sehr stark gespielt und uns nicht blamiert. Es gab wohl kaum jemanden, der uns zugetraut hat, dass wir in unserer Situation mit einer so stark besetzten Mannschaft wie ALBA derart gut mithalten werden. Ein Sieg wäre die Sensation in der Liga gewesen. Wir wissen, dass wir noch eine harte Zeit vor uns haben, vor allem angesichts unseres derzeitigen Verletzungspechs, können jetzt aber mit einem gestärkten Selbstbewusstsein in die nächsten Spiele gehen.”

“Jo” Lischka (Forward LTi GIESSEN 46ers): “Die individuelle Klasse von den Alba-Spielern hat man gesehen. Wir haben aber sehr gut mitgehalten und ein gutes Spiel gemacht. Am Ende jedoch hat man dann schon gemerkt, dass die Berliner einfach eine Nummer zu groß sind. Man kann von so einem Spiel aber nicht enttäuscht sein. Wir können auf diese Leistungen aufbauen und viel davon ins nächste Spiel mitnehmen.”

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