Die GIESSEN 46ers sind mit einer Niederlage in das neue Jahr gestartet. Am 15. BBL-Spieltag mussten sich die Mittelhessen in eigener Halle den Bayer Giants Leverkusen mit 71:87 (36:46) geschlagen geben. Im 100. Bundesliga-Duell der beiden Traditionsvereine lag das Gießener Team am Samstagabend gegen den Tabellendritten vom Rhein im letzten Viertel schon mit 56:70 (33.) zurück. Danach kämpften sich die 46ers, bei denen Gerrit Terdenge und Seamus Boxley gesundheitlich angeschlagen in die Partie gegangen waren, mit einem Kraftakt bis auf 71:75 (38.) heran, ehe ein äußerst umstrittenes Offensivfoul gegen Corey Rouse, zugleich das fünfte persönliche Foul des Power Forwards, sowie das anschließende 71:78 durch ein Drei-Punkt-Spiel von Nate Fox (39.) für die Vorentscheidung sorgten. Mit dieser Niederlage bleiben die 46ers mit nun 8:22 Punkten auf Platz 16 der BBL-Tabelle. Der Vorsprung auf einen Abstiegsplatz beträgt weiterhin zwei Punkte (Trier, 6:24 Punkte).
Vom Sprungball weg wurde deutlich, dass die 46ers, die mit Obie Trotter, Michael Umeh, Rouven Roessler, Corey Rouse und Kapitän „Flo“ Hartenstein starteten, an diesem Abend eine hohe Trefferquote aus den korbfernen Positionen benötigten, wenn sie die Partie gegen die favorisierten Giants offen halten wollten, denn in der gegnerischen Zone gelang dem Bundesliga-Urgestein von Beginn an nur wenig. Rouven Roessler machte im ersten Viertel vor, wie es geht. Der Flügelspieler, der gestern Teamleaderqualitäten offenbarte, offensiv eine Menge Verantwortung übernahm, in der Defense ackerte wie ein Berserker und seine Teamkollegen immer wieder anfeuerte und aufputschte, bewies große Treffsicherheit von jenseits der 6,25-m-Linie und traf drei seiner insgesamt sechs erfolgreichen Dreier im Anfangsviertel, in dem er für 13 der 18 Gießener Punkte verantwortlich zeichnete. Michael Umeh markierte die restlichen fünf Zähler für die Truppe von Cheftrainer Thorsten Leibenath, die sich nach dem 8:13-Rückstand (5.) auf die Leverkusener Offense eingestellt hatte, am Ende der ersten zehn Minuten jedoch einige Male zu nachlässig am defensiven Brett agierte und somit mit einem 18:20-Rückstand in die Viertelpause ging.
Einer der lediglich drei Gießener Nahdistanzkorberfolge vor der Pause des nach sechs Minuten für Hartenstein in die Partie gekommenen Gerrit Terdenge, der sich unter dem Korb gegen Leverkusens athletischen Power Forward Ransford Brempong durchsetzte und das 20:23 erzielte (11.), stellte dann den Beginn einer sehr starken Phase der 46ers dar. Shawan Robinson ließ bei fast vollständig heruntergetickter Angriffsuhr einen Dreier aus acht Metern Entfernung zum Korb folgen (23:23) und traf im nächsten Angriff erneut per Dreier zum 26:23, zugleich die erste 46ers-Führung im Spiel. Der vierte erfolgreiche Dreipunkteversuch von Rouven Roessler führte zum 29:25 (13.).
Nachdem die 46ers es bei zwei aussichtsreichen Gelegenheiten versäumt hatten, ihre Führung weiter auszubauen, rückten anschließend die Unparteiischen in den Mittelpunkt des Geschehens. Einige Entscheidungen der Schiedsrichter gegen das Heimteam, die unter anderem dazu führten, dass die Teamfouls zur Pause ungleich verteilt waren (Gießen 15, Leverkusen 9), stießen bei den Zuschauern auf vollkommenes Unverständnis. Nach einem technischen Foul gegen die Gießener Bank und einem Offensivfoul gegen Roessler musste die Partie unter einem gellenden Pfeiffkonzert für kurze Zeit unterbrochen werden, weil aus dem Bereich der Haupttribüne Gegenstände auf das Feld geflogen waren.
Leider bekam die nun sehr aufgeheizte Stimmung dem Spiel der Hausherren überhaupt nicht. Nach dem 33:34 durch einen Tip-in von Gerrit Terdenge mussten die in dieser Phase zu überhastet agierenden 46ers einen 0:12-Lauf hinnehmen, ein technisches Foul gegen Rouven Roessler (zugleich sein drittes persönliches) nach einem Foulpfiff gegen Richard Poiger nutzte Leverkusens Zack Whiting zu vier Freiwurftreffern in Folge (33:44/19.). Am Ende des Spiels hatte Whiting jeden seiner 13 Freiwurfversuche eingenetzt. Leverkusens Trefferquote von der „Linie“ war insgesamt imposant (93 Prozent, 31 von 33). Mit seinem dritten Dreier an diesem Abend besorgte Shawan Robinson den 36:46-Halbzeitstand.
Die Pause tat den 46ers gut. Nach dem Wechsel wirkten die Leibenath-Schützlinge zunächst wieder konzentrierter und fokussierter, der Rückstand konnte schnell auf 43:47 (24.) verkürzt werden. Dann war es der inzwischen 35-jährige Ex-Gießener Tyron Mc Coy, der bei den Gästen Verantwortung übernahm, innerhalb von wenigen Minuten sieben Punkte erzielte und sein Team wieder davonziehen ließ (49:60/28.). Nach einem weiteren Offensivfoul gegen den bis dato mit 21 Punkten erfolgreichsten Punktesammler Roessler (29.) sah es aus 46ers-Sicht ziemlich düster aus, doch ein Dreier von Marco Buljevic und ein Leverkusener Ballverlust kurz vor Ende des dritten Viertels, den Obie Trotter nach einem Fastbreak in immerhin einen Freiwurftreffer ummünzen konnte, hielt die Hoffnung am Leben (55:62/30.)
Ein weiterer 8:1-Lauf der Gäste, die die zu zahlreichen Ballverluste der Gastgeber konsequent ausnutzten, brachte die 46ers in der 33. Minute nur scheinbar vorentscheidend mit 56:70 ins Hintertreffen. Die Gießener zeigten anschließend eine tolle Moral. Initiiert von zwei Freiwurftreffern von Michael Umeh, von dem nach gutem Beginn offensiv allerdings zu wenig Gefahr ausging, mobilisierten Roessler und Kollegen die letzten Kräfte und starteten eine Aufholjagd, die auch davon begünstigt wurde, dass die Dreierversuche der bislang in dieser Saison äußerst treffsicheren Leverkusener Distanzschützen gegen die Gießener Zone in dieser Phase nicht nur ein Mal schon in die Reuse schauten, um sich dann aber doch wieder aus dem Ring herauszudrehen. Als Corey Rouse in der Leverkusener Zone aus der Drehung mit Brett zum 71:75 verkürzte (38.) und der anschließende Dreierversuch von Mc Coy sein Ziel verfehlte, war der Heimsieg nochmal zum Greifen nahe. Doch nach dem eingangs erwähnten Offensivfoul gegen Rouse und dem anschließenden Drei-Punkt-Spiel von Fox hatten die 46ers in den verbleibenden anderthalb Minuten nichts mehr zuzusetzen.
Punkteverteilung:
GIESSEN 46ers: Umeh (7), Terdenge (10), Buljevic (3), Trotter (5), Lischka (0), Poiger (0), Robinson (11), Rouse (9), Roessler (24), Boxley (2), Hartenstein (0).
Bayer Giants Leverkusen: Winters (14), Geib (3), Tom Spöler (0), Ben Spöler (n.e.), Brempong (6), Bailey (3), Mc Coy (20), Welling (n.e.), Whiting (17), Fox (6), Wyrick (12), Taylor (6).
Stimmen zum Spiel:
Achim Kuczmann (Head Coach Bayer Giants Leverkusen): „Das war heute ein sehr interessantes Spiel, das bis zum Ende knapp war. Wir haben am Ende unsere Würfe, vor allem die Freiwürfe, getroffen, was am Ende Ausschlag gebend war. Über das gesamte Spiel gesehen bin ich zufrieden mit dem, was die Mannschaft heute gezeigt hat. Wir wussten, dass das hier ein sehr schweres Spiel werden wird. Nach einer Pause ist es nie einfach wieder schnell den Rhytmus zu finden. Ich denke, dass das Endergebnis ein wenig zu hoch ausgefallen ist. Die Mannschaft von Thorsten (Leibenath) hat super gekämpft und uns das Leben sehr schwer gemacht. Ich glaube, dass am Ende unsere Erfahrung, die wir durch Mc Coy, Fox und Taylor auf dem Feld hatten, auch eine wichtige Rolle gespielt hat.
Für mich ist das überraschend, dass wir in der Tabelle so weit oben stehen. Dass die Mannschaft gut zusammenpasst und zusammenhält, konnte man auch schon vor der Saison sehen. Die neuen Spieler sind von den Alten super aufgenommen worden und haben wunderbar reingepasst. Einige Spieler aus der letzten Saison haben wir ja im Team halten können und das zeigt schon, dass man mit etwas Kontinuität einiges erreichen kann.
Es ist nicht einfach für Thorsten und Gießen im Augenblick. Aber ich kann das nachvollziehen, denn im letzten Jahr waren wir zu diesem Zeitpunkt der Saison Vorletzter und haben dann sieben Spiele hintereinander gewonnen. Wichtig war, dass die Mannschaft in dieser Phase, als es nicht so gut lief, zusammengehalten haben, wir Ruhe bewahrt und hart weitergearbeitet haben. Und es wird auch in Gießen wieder aufwärts gehen. Die Liga ist so eng beisammen, mit zwei, drei Siegen in Folge kann man schon wieder ganz woanders stehen. Die Vorrunde ist noch gar nicht beendet und wir haben noch eine ganze Menge Spiele vor uns.“
Thorsten Leibenath (Head Coach GIESSEN 46ers): „Glückwunsch an Achim (Kuczmann), seinen Worten ist eigentlich nicht viel hinzuzufügen. Was positiv zu erwähnen ist, ist die Tatsache, dass wir das Spiel am Ende nochmal eng gemacht haben. Die Mannschaft hat Charakter bewiesen und gekämpft bis zum Schluss. Man muss erwähnen, dass Gerrit (Terdenge) mit einem grippalen Infekt, einer Nebenhöhlenentzündung, und Seamus Boxley mit einer Magen-Darm-Grippe gespielt haben. Die Beiden haben wirklich auf die Zähne gebissen, sie waren schon ziemlich gehandicapt ins Spiel gegangen. Umso stolzer macht es mich, wie wir uns in das Spiel zurückgekämpft haben.
Es wäre zu einfach, die Schuld bei den Schiedsrichtern zu suchen. Man muss sich die Fakten anschauen: Wir haben nur 7 von 26 Versuchen innerhalb der Zone getroffen und 17 Mal den Ball unnötigerweise dem Gegner überlassen, was mit Sicherheit auch an der guten Verteidigung der Leverkusener lag. Aber das sind Zahlen, die einfach nicht gut genug sind, um ein Spiel zu gewinnen. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass es zweieinhalb Minuten vor Schluss nach der Auszeit bei eigenem Ballbesitz und minus vier eine klare Fehlentscheidung der Schiedsrichter gab, die uns dann der Chance beraubt hat, dass wir das Spiel bis zum Ende knapp gestalten können.
Das Mehr an Erfahrung auf Seiten der Leverkusener Spieler war ein entscheidender Punkt. Ein Spieler wie Tyron Mc Coy muss gar nicht mal 20 Punkte machen. In jedem Spiel macht er Leverkusen besser. Er ist der Hauptgrund für die derzeitige Leverkusener Erfolgsserie. Als sechster Mann leistet Tyron Unglaubliches. Er hat heute super verteidigt, unglaublich gut antizipiert, hat es uns schwer gemacht, gute Würfe zu kreieren und ein Produkt daraus ist, dass wir nur 34 Prozent Trefferquote aus dem Feld zu Buche stehen haben.
Dennoch werde ich meiner Mannschaft keinen Vorwurf machen. Sie hat sich gut präsentiert. Die ein oder andere unglückliche Entscheidung hat uns nicht gerade gut getan und hat uns auch eher aus dem Konzept gebracht als die ein oder andere unglückliche Entscheidung in der zweiten Halbzeit gegen Leverkusen. Alles in allem ist Leverkusen aber routinierter und deshalb haben sie verdient gewonnen.
Shawan (Robinson) hat sicher noch Potenzial nach oben. Er muss noch ein bisschen mehr lernen, die Mannschaft zu führen, aber das heute war ein Schritt nach vorne. Er hat auch seine Würfe wieder besser getroffen. Ich war mit beiden Aufbauspielern zufrieden, auch Obie (Trotter) hat eine ordentliche Leistung gebracht. Es ist halt für uns wieder so etwas wie ein Neustart. Wir haben Patrick Sparks verloren, der ein dominanter und sehr kreativer Playmaker war und Obie und Shawan müssen jetzt in diese Fußstapfen treten, was nicht von heute auf morgen geht.
Wir stehen momentan hinten drin. Wichtig ist, dass wir jetzt zusammenhalten, dass wir Geduld beweisen. Die Siege werden kommen. Der Charakter, den die Mannschaft heute gezeigt hat, stimmt mich zuversichtlich.“
Alle Bilder: Mediashots Werbefotografie.