An einem beeindruckenden Wochenende lassen die GIESSEN 46ers ihre „Alten Meister“ von 1965 und 1975 hochleben.
Berührende Momente, große Worte, anerkennende Gesten und tränenreiche Emotionen: Die „Alten Meister“, die die GIESSEN 46ers anlässlich ihrer Titelgewinne 1965 und 1975 in die Stadt ihrer großen Triumphe eingeladen hatten, haben die Helden von einst, die aktuelle Mannschaft, Staff, Fans und alle, die es gut meinen mit dem Altmeister, drei Tage lang in ihren Bann gezogen.
Natürlich diejenigen, die am Freitagnachmittag dem städtischen Empfang im Hotel Steinsgarten, wo die meisten übernachtet hatten, beiwohnen durften. Natürlich diejenigen, die dabei waren, als die Gesellschafter am Freitagabend in die „Licher VIP-Lounge“ der Osthalle zu einem leckeren Essen, lockeren Gesprächen und anerkennenden Worten luden. Natürlich diejenigen, die am Samstagmittag ins Traditionslokal „Hawwerkasten“ gekommen waren, um, wie es einer der Gäste aus Übersee charmant formulierte, endlich wieder einmal „the best German Schnitzel ever“ zu genießen. Und natürlich auch diejenigen, die am Samstagabend die Ehrung in der Halbzeitpause des 94:74-Sieges der 46ers gegen Karlsruhe verfolgten.
Was einige der Männer, die für den damals noch als MTV 1846 Gießen in Basketball-Deutschland für Furore sorgenden Club aktiv waren, nicht treffender hätten formulieren können: „Wir haben Freundschaften fürs Leben geschlossen“, stockte dem sichtlich gerührten Bernd Röder, Kapitän der Meistermannschaft von 1965, die Stimme, als er die rund 100 Gäste begrüßte. „Eine solche Zusammenkunft gibt es in ganz Deutschland nicht“, war sich Hans Heß, Röders Pendant zehn Jahre später, sicher. Und Ex-Bundestrainer „Didi“ Kienast (85) war stolz: „Mir hat der Basketball in der ganzen Welt Türen geöffnet.“ Türen, durch die die sechs noch lebenden Spieler des 65er-Teams und die, die ein Jahrzehnt später die vierte von insgesamt fünf nationalen Meisterschaften an die Lahn holten, auch am vergangenen Wochenende (im übertragenen Sinne) gerne schritten. Die einen schwungvoll, die anderen mit Gehhilfen.
Wie Ernie Butler, der es sich nicht nehmen ließ, sich von seinem Wohnort München nach Gießen fahren zu lassen. Der 91-Jährige, der am 23. Mai 1965 in Heidelberg mit seinem entscheidenden Wurf zum 69:68-Sieg gegen den VfL Osnabrück nicht nur Kultstatus in Mittelhessen erlangte, sondern den Aufschwung der MTV-Basketballer begründete, hing vormittags noch an der Dialyse, ehe er sich von zwei Freunden nach Gießen chauffieren ließ. Als er die Osthalle betrat, erhoben sich die Menschen von ihren Sitzen. Gänsehaut pur. „Für mich und meine Frau ist das der berührendste Abend seit langem“, wollte der ehemalige Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier seine Emotionen nicht verbergen. Und Bernd Röder ergänzte: „Ernie hat uns damals mit Basketball infiziert. Ohne ihn wären wir nie so weit gekommen.“
Hintergrund: Butler, der sich für die Army an der Lahn aufhielt, hatte einen Schlüssel zur Miller Hall. Was dazu führte, dass die für gewöhnlich nur an einem Abend in der Pestalozzischule trainierende Truppe von Coach Pit Nennstiel plötzlich ungeahnte Möglichkeiten vorfand. Röder: „Nach der Schule sind wir in die Miller Hall zum Zocken. Und abends haben wir bei Ernie in dessen Zimmer NBA geschaut.“
Dass der leidenschaftliche Musiker, der einst NBA-Champ Dirk Nowitzki das Saxofon-Spielen beibrachte, ein Jahr zuvor am Rande des deutschen Finals zwischen Aachen und Heidelberg, das er zusammen mit Bernd Röder in Frankfurt-Höchst verfolgte, fallen ließ, „im kommenden Jahr stehen wir im Endspiel“, hielten die MTV-Jungs damals für einen Scherz. Einen, der zwölf Monate später Realität werden sollte. Und der eine Ära begründete, die 46ers-Gesellschafter Lars Witteck beim Empfang am Freitagabend launig zusammenfasste: „Sie alle sind unsere Vorbilder. In Gießen ist Basketball mehr als nur ein kaltes Geschäft. Basketball ist Stadtgespräch.“ Und der Volksbank-Vorstand setzte noch einen drauf: „Tradition ist nicht das Aufbewahren der Asche, sondern die Weitergabe der Flamme.“
Was wiederum Ernie Butler aufwühlte: „Ich bin stolz, dass ich in Gießen spielen durfte. Ich möchte sagen, dass es die schönsten Jahre in meinem ganzen Leben waren.“ Die weiteste Anreise hatte Dennis Curran auf sich genommen, der mit seinem Sohn Jesse und Schwiegertochter Alessandra aus Vermont/USA gekommen war. Nicht ohne Probleme bei der Anreise, da der Flieger wegen technischer Probleme über dem Atlantik umkehren musste und der Topscorer der Saison 1974/75 deshalb in einer Ersatz-Maschine erst mit einigen Stunden Verspätung in Frankfurt landete. „Ich liebe Gießen. Und die Stadt liebt Sieger“, hatte der heute 73-Jährige die Lacher auf seiner Seite.
Dass den Champ mit beeindruckendem Golf-Handicap 5, der am Montag noch eine Runde im Attighof mit Hans Heß dranhängte, seine Rückkehr nach Gießen an sein Engagement vor 50 Jahren erinnerte, wollte der „George Clooney des Basketballs“, so Volker Bouffier, nicht unerwähnt lassen: „Damals war ich zwei Tage mit mehreren Zwischenstationen unterwegs. Manager Heinz-Ewald Hirsch musste wahrscheinlich Geld sparen.“
Dass Curran von seinem US-Vorgänger Tony Koski als Center angekündigt worden war, aber wenige Wochen später als Pointguard mit nur 1,90 Meter Körpergröße ankam, war natürlich in aller Munde. Dass der einstige Frauenschwarm aufgrund zahlreicher Verletzungen, die ihm drei US-Soldaten bei einem nächtlichen Überfall zugefügt hatten, aber in seiner zweiten Saison nie mehr so richtig in Tritt kam, erzählte er nur im kleinen Kreis im „Hawwerkasten“, in dem Hausherr Maurice Zach-Zach nicht nur mit einem leckeren Chili con Carne, sondern auch mit kühlem Pils, spendiert von 46ers-Partner Licher, aufwartete: „Sie hatten mir Finger an meiner rechten Wurfhand, mehrfach den Arm und die Augenhöhle gebrochen. Ich lag fast drei Monate im Krankenhaus.“ Pünktlich zum Start in die Spielzeit 1975/76 stand Curran wieder auf der Matte. Allerdings als Linkshänder, rechts ging nach dem Angriff nicht mehr viel …
DBB-Vize Joachim Spägele, extra aus Freiburg angereist, hatte Basketbälle für den 46ers-Nachwuchs mitgebracht. Der MTV-Ehrenvorsitzende Walter Müller und der aktuelle Clubchef Mehmet Tanriverdi ernannten die Protagonisten von einst zu Ehrenmitgliedern. Ex-Manager-Gattin Friedchen Hirsch ließ es sich nicht nehmen, dem Treiben auch im Alter von 98 Jahren beizuwohnen. Die Fans auf der Osthallen-Stehtribüne feierten ihre Helden während der Partie gegen Karlsruhe mit einer beeindruckenden Choreografie. 46ers-Geschäftsführer Guido Heerstraß hatte Meister-Shirts anfertigen lassen und verteilte Medaillen. Das alles rundete ein in allen Belangen gelungenes Wochenende ab.
Eines, an dem auch 46ers-Unterstützerin Pia Meier ihren Anteil hatte. Sie hatte für die Frauen der Altmeister einen Lippenstift mit der Aufschrift „Unsere Liebe ist rot“ und für die Männer einen Füllfederhalter mit dem Schriftzug „Unsere Liebe schreibt rot“ machen lassen und damit die Gäste überrascht.
Es war halt ein Jubiläumswochenende voller berührender Momente, großer Worte, anerkennender Gesten und tränenreicher Emotionen …