JobStairs GIESSEN 46ers lassen nur 24 Koblenzer Punkte in Halbzeit zwei zu und besiegen den Neuling am Ende noch mit 74:63
Robin Benzing schickte Handküsschen zu Frau und Tochter auf die Tribüne. Roland Nyama signierte mitgebrachte Trikots. Luis Figge stand für Selfies zur Verfügung. Und Simon Krajcovic stimmte – nach lautstarker Aufforderung der Anhänger – in brauchbarem Deutsch die traditionelle Humba an. In der eiskalten Osthalle haben die JobStairs GIESSEN 46ers am Mittwochabend die Herzen ihrer Fans erwärmt.
Nach einem Match mit Höhen und Tiefen, nach Dramatik pur, nach einer Aufholjagd, die typischer nicht hätte sein können für die Jungs von „Frenki“ Ignjatovic. „Im Vergleich zur letzten Saison war dies heute ein ausgesprochen hoher Sieg“, scherzte der Chefcoach nach dem 74:63 (36:39)-Erfolg im Nachholspiel der dritten Runde der BARMER 2. Basketball Bundesliga ProA gegen die EPG Baskets Koblenz. Wohl wissend, dass in der vergangenen Saison viele Partien lange auf des Messers Schneide gestanden hatten.
Dass der erste Heimsieg einer bärenstarken Defensive geschuldet war, darüber waren sich alle Protagonisten einig. Robin Benzing sprach von einer „super Defense“. Luis Figge hatte einen „großen Kampf unter dem eigenen Korb“ gesehen. Der noch immer verletzte Gäste-Center Maurice Pluskota, ein Mann mit Gießener Vergangenheit, wusste, dass „uns 15 Offensiv-Rebounds von Gießen am Ende das Genick gebrochen haben.“ Und Branislav Ignjatovic strahlte: „Hinten waren wir heute endlich so aggressiv, wie ich mir das schon immer gewünscht habe.“
Dass es unter seiner Regie noch kein Osthallen-Match gegeben hatte, in dem der Kontrahent nur 63 Punkte zustande brachte, war dem 57-Jährigen indes nicht präsent. Ein flüchtiger Blick in die Statistik zeigte ihm jedoch, dass nur 24 Koblenzer Zähler nach der Pause großes Kino für die 46ers, die nach dem Anfangs-5:4 erst 17 Sekunden vor der Pause durch Robin Benzing zum 36:36 und danach noch einmal eineinhalb Minuten vor dem Ende des dritten Viertels durch einen verwandelten Freiwurf von Luis Figge zum 50:50 wieder ausgleichen konnten, bedeuteten.
„Wir haben zu Beginn viel verlegt, waren mental blockiert und hatten keine Energie, so dass Koblenz lange wie der Sieger aussah“, fand Ignjatovic natürlich ein Haar in der Suppe, gestand aber auch ein, dass nach der Pause „bei vielen meiner Jungs der Knoten geplatzt ist.“ Was auch Gäste-Coach Pat Elzie, von 1984 bis 1989 in Diensten des MTV 1846 Gießen, eingestehen musste: „Die Gießener Verteidigung hat uns nach der Pause richtig eingeschüchtert. Sie waren robust, hart und haben uns keine Chance mehr gegeben, Würfe zu kreieren.“ 18 Mal hatten die 46ers schließlich mehr abgedrückt als der Aufsteiger vom deutschen Eck, der in der Osthalle mit Maurice Pluskota, Leon Friederici, Dominique Johnson und Marvin Heckel allerdings auf vier verletzte Leistungsträger hatte verzichten müssen.
Dass die Hausherren aber wie schon in Hagen und Karlsruhe eher schleppend ins Spiel kamen, verwunderte. „Wir glauben wahrscheinlich, meistens als Favorit ins Spiel zu gehen und bevorzugen dann eine sichere, eher abgeklärtere Spielweise. Wir müssen aber wissen, dass dies nicht reicht, dass wir uns mehr trauen müssen, dass wir leidenschaftlicher zu Werke gehen müssen“, analysierte Luis Figge, der zwar nur einen Feldkorb markierte, der aber gefühlt bei jedem Gemetzel seine Finger im Spiel hatte und schließlich als leidenschaftlicher Anführer noch acht Rebounds eingesammelt und sechs Koblenzer Fouls gezogen hatte.
Big Man Stefan Fundic war wie schon so oft mit einem Double-Double aus 16 Punkten und zwölf Rebounds zur Stelle. Robin Benzing, von den Schiedsrichtern früh durch vier Fouls in seinem Aktionsradius eingeschränkt, brachte es am Ende auf immerhin 15 Zähler und drei versenkte Dreier. Den Vogel aber schoss der slowakische Regisseur Simon Krajcovic ab, der über 37 Minuten auf dem Feld stand, sich als kluger Ballverteiler erwies, vor allem aber in der Defensive gegen den am Ende nur bei sechs Zählern stehenden EPG-Pointguard Robert Lorenzo Hall Großes leistete. „Unter dem Strich war es eine Teamleistung“, wollte der Nationalspieler seine eigene Person nicht in den Vordergrund stellen.
Was er besser seinem Übungsleiter überließ. „Simon hat ein großes Spiel gemacht. Er hat die Mannschaft geführt, ihm gebührt ein großes Kompliment.“ Der 29-Jährige hatte zuletzt in Chemnitz und Hagen – früh foulbelastet – seine wahren Fähigkeiten nicht zeigen können, das Vertrauen seines Trainers ist ihm aber stets gewiss: „Wenn er Fehler gemacht hat, dann ist er wie ein reinrassiges Pferd: Es senkt den Kopf und scharrt mit den Hufen“, bediente sich „Frenki“ Ignjatovic eines bildlichen Vergleichs aus dem Tierreich, der schlicht sagen sollte: „Krajcovic ist ein Typ, der einen Trainer nie enttäuscht. Er macht auf hohem Niveau einfach weiter.“
Was auch den 46ers, spätestens nach der Pause, gelang. 11:19 (8.), 25:34 (14.) und 42:48 (23.) hatte Gießen zurückgelegen, ehe der Knoten endlich platzte. Nach einem durch Duane Wilson zum 52:50 abgeschlossenen 12:4-Lauf lagen die Gastgeber erstmals nach 29 Minuten in Führung, die sie nicht mehr aus der Hand gaben. Als Moses Pölking an der Freiwurflinie, irritiert durch die Fan-Gesänge, gleich zweimal patzte und Robin Benzing nach einem Zuckerpass von Stefan Fundic per Dreier das 64:60 markierte, stand die Osthalle Kopf. Als Duane Wilson einen Steal per Tempogegenstoß zum 70:60 abschloss, hatte ein abermaliger 11:0-Lauf dem Aufsteiger endgültig den Stecker gezogen.
„Hier regiert der MTV“, sang die Stehtribüne. Und bei Pat Elzie kamen Erinnerungen an alte, große Zeiten Gießener Zeiten hoch, die er zusammen mit Leuten wie Mike Koch oder Henning Harnisch hatte erleben dürfen. „Damals habe ich viele Siege feiern dürfen, heute bin ich aber enttäuscht“, resümierte der 62-Jährige zu einer Zeit, als Robin Benzing und Co. sich noch feiern ließen.
Gießen: Norman Jr., Wilson (14), Heyne (n.e.), Fundic (16), Benzing (15), Maier (6), Figge (6), Kahl, Kovacevic, Nyama, Krajcovic (17).
Koblenz: Anderson (4), de Oliveira (10), Saffer (4), Schnabel (n.e.), Jones (2), Hübner, Sperber (5), Ade-Eri (n.e.), Pölking (11), Plitzuweit (13), Hall (6), Pipiras (8).
5 gute 46ers-Zutaten
Zuschauer: 1962
Zuversicht: 17 Punkte von Simon Krajcovic
Zugriff: 12 Rebounds von Stefan Fundic
Zuarbeit: 6 Assists von Simon Krajcovic
Zukunft: Samstag, 21. Oktober, 18 Uhr: Dresden Titans – JobStairs GIESSEN 46ers
19.10.23