(Foto: Nico Genslein)

„Wie ein Dauerkrampf“

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Die GIESSEN 46ers kassieren bei Aufsteiger Paderborn Baskets eine ebenso unerwartete wie deutliche 93:100-Niederlage.

Exakt einen Monat vor dem Start in die fünfte Jahreszeit war den GIESSEN 46ers überhaupt nicht nach Ausgelassenheit, Party und Karneval zumute, auch wenn aus den Lautsprechern der Gassenhauer „Oh, wie ist das schön …“ dröhnte. Cheftrainer „Frenki“ Ignjatovic saß in der Maspernhalle minutenlang wie versteinert auf der Bank. Sein Assistent Nikola Stanic diskutierte ebenso leidenschaftlich wie stinksauer mit den Verantwortlichen am Anschreibetisch. Und die Mannschaft hatte sich rar gemacht. Zu brachial war die Enttäuschung. Zu bitter breitete sich die Erkenntnis aus, (noch) nicht zu den Top-Teams des Unterhauses zu gehören. Zu tief saß noch immer der Stachel, den Phoenix Hagen eine Woche zuvor ins Selbstbewusstsein des Auftakterfolges von Göppingen gerammt hatte. 

„So werden wir es schwer haben, auf Dauer erfolgreich zu sein“, wollte Ignjatovic weder von kurz- oder mittelfristigen Clubzielen noch von den Playoffs reden. Was er nach erst drei Spieltagen in der BARMER 2. Basketball-Bundesliga ProA auch nicht muss. Allerdings: Nach der für ihn am Samstagabend „inakzeptablen“ 93:100 (45:49)-Abreibung als Gast von Wildcard-Aufsteiger Paderborn Baskets gilt es, den Schalter schnellstens umzulegen. 

Wie schon der 0:21-Run gegen die „Feuervögel“, der sieben Tage vorher zu einer 77:92-Pleite geführt hatte, trafen auch die ob ihrer Mittel durchaus zu knackenden, gegen den Altmeister aber frech, treffsicher und mit breiter Brust auftretenden Ostwestfalen den Cheftrainer bis ins Mark. „Frenki“ Ignjatovic sprach von einer „schweren Niederlage“, von „eigenen Unzulänglichkeiten“, die der Gegner „gnadenlos ausgenutzt“ habe, von einem „unwürdigen Eins-gegen-Eins-Verhalten“, aber auch von „sensationellen 38 Freiwürfen“, die Paderborn von den Referees zugesprochen bekommen hatten. „Allerdings bin ich weit davon entfernt, den Schiedsrichtern die Schuld an unserem Versagen in die Schuhe zu schieben.“

Was auch seine Profis nicht taten. Denn sie suchten die Schuld klar bei sich selbst. Von einer „schwachen Leistung, bei der unsere Defense über das komplette Spiel nicht gestimmt hat“, redete Big Man Till Gloger. Luis König Figge, der über das Wochenende bei seiner Familie in seiner Heimatstadt blieb, hatte eine „sehr enttäuschende Vorstellung“ seiner 46ers gesehen. „Wir hatten überhaupt keinen Zugang zu der Partie, das war echt bitter.“ Und Kapitän Robin Benzing analysierte schonungslos, dass „wir keinen Rhythmus und keine Chemie in der Verteidigung hatten. So gewinnen wir gegen kein Team auf der ganzen Welt eine Partie.“ Es gelte nun, einen Weg raus aus dem Loch zu finden. „In Paderborn wirkte unser Auftreten wie ein Dauerkrampf. Wenn wir das nicht rasch abstellen, werden wir noch viele Probleme bekommen.“

Probleme, die sich schon in den ersten Sequenzen andeuteten und die sich wie ein roter Faden durch die Begegnung zogen. Gegen die beiden Köpfe der Hausherren, Branden Maughmer und Jonathan Klussmann, der an den ersten beiden Spieltagen verletzungsbedingt noch fehlte, fand Gießen nie ein probates Mittel. 43 Punkte und 14 Assists standen für das Guard-Duo am Ende zu Buche, für Simon Krajcovic und Martin Junakovic auf Gießener Seite indes waren es zusammen nur elf Zähler und sechs Vorlagen. 

Unter den Brettern hatten Jalen Johnson, Aaron Kayser und der erst 16-jährige Leonard Krüger die Hoheit, was ihre zusammen 27 Points und 17 Rebounds unter Beweis stellten. Beim Altmeister brachten es die langen Jonathan Maier, Till Gloger und Domagoj Vukovic nur auf 14 Zähler bei sechs eingesammelten Abprallern. Und die hohe Gießener Foulbelastung, laut Ignjatovic „ein Schlüssel zur Niederlage“, führte dazu, dass der Aufsteiger insgesamt 39 Freiwürfe zugesprochen bekam und davon 28 verwandelte, für die 46ers aber nur rund die Hälfte in der Statistik standen. „Gerade unsere neuen Spieler müssen noch lernen, wie in der ProA gepfiffen wird und wie sie deshalb zu verteidigen haben“, so Branislav Ignjatovic, der sich ein eventuelles verspätetes Geschenk zu seinem 59. Geburtstag zwei Tage zuvor sicherlich völlig anders vorgestellt hatte.

Wogte die Partie im ersten Viertel noch hin und her und schienen die Gäste spätestens beim Dreier mit Brett von Robin Benzing zum 22:17 (7.) und beim Layup durch Till Gloger zum 25:17 (8.) noch in der Spur, so verloren sie anfangs des zweiten Abschnitts völlig den Faden. Paderborn punktete leicht, Gießen kam nur noch zu schweren Abschlüssen und machte sich das Leben durch unnötige Ballverluste äußerst schwer. Als die Ostwestfalen urplötzlich 37:30 (14.) führten, hatten sie einen 20:5-Run aufs Parkett gelegt, den die gut 1900 Fans frenetisch bejubelten.

Auch nach der Pause leisteten sich die Mittelhessen viel zu viele Unzulänglichkeiten, die ihre durch zwei Dreier von Simon Krajcovic und Aiden Warnholtz angedeutete Aufholjagd (51:49, 31.) schnell zu Nichte machten. Erst stand Simon Krajcovic im Aus. Dann verlegte Martin Junakovic einen leichten Zweier direkt am Brett. Als sich Kyle Castlin, mit 26 Punkten abermals Topscorer der Partie, und Luis König Figge bei einem Zuspiel nicht einig waren und Sekunde später Daniel Norl den Ball auch noch verdattelte und sich aus lauter Frust auch noch ein Foul einhandelte, war es ums dritte Viertel aus Gießener Sicht geschehen. Die 74:66-Führung, mit der die Baskets in die letzten zehn Minuten gingen, schien die Männer von der Lahn zu lähmen.

„Wenn du auswärts 93 Punkte machst, bist du normalerweise konkurrenzfähig“, wirkte „Frenki“ Ignjatovic irgendwie ratlos ob der defensiven Vorstellung der Seinen, die nach dem frühen fünften Foul von Domagoj Vukovic (32.), das dieser sich in nur 13 Minuten seines Wirkens eingehandelt hatte, mit zehn Punkten (71:81) zurücklagen. Beim 88:77 (34.) waren es elf, beim 91:79 (35.) und 93:81 (36.) gar zwölf Zähler, die Paderborn mittlerweile zwischen sich und Gießen gelegt hatte.

Am Ende sprach Hausherren-Übungsleiter Milos Stankovic vom „nächsten Schritt, den wir in unserer Entwicklung genommen haben.“ Branislav Ignjatovic, der in der Pressekonferenz zwei Meter neben ihm stand, hörte die Worte seines Kollegen mit Graus. Denn für seine Jungs hatte es nach dem Auftaktsieg bei den Kirchheim Knights nur Rückschritte gegeben …

Paderborn: Maughmer (18), Larsen (n.e.), Silic (5), Teichmann (9), Brüggemann, Marty-Decker (9), Bühner (7), Johnson (12), Kayser (9), Kröger (6), Klussmann (25).

Gießen: Norl (8), Warnholtz (8), Castlin (26), Benzing (19), Maier (2), König Figge (7), Müsse (n.e.), Vukovic (8), Gloger (4), Junakovic (5), Nyama, Krajcovic (6).

UND SONST NOCH …

  • Unsere Starter: Daniel Norl, Kyle Castlin, Robin Benzing, Domagoj Vukovic, Simon Krajcovic.
  • Unser Konditions-Wunder: Kyle Castlin (33:15 Minuten).
  • Unser stärkster Rebounder: Kyle Castlin (10).
  • Unser erfolgreichster Passgeber: Simon Krajcovic (4).
  • Unsere höchste Führung: 25:17, 8. Minute.
  • Unsere erfolgreichste Serie: 6:0 zum 51:49, 21. Minute.
  • Unsere emotionalen Beobachter: 1909 Zuschauer in der Sporthalle am Maspernplatz, davon 70 aus Gießen.
  • Unser nächster Auftritt: Samstag, 18. Oktober (19 Uhr), in der Osthalle gegen die PS Karlsruhe LIONS.

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