46ers-Profi Roland Nyama spielt mit Kamerun in Lettlands Hauptstadt Riga um ein Ticket für die Olympischen Sommerspiele
Der imposante Dom, dessen Architektur die Stile von verschiedenen Epochen aufweist. Das Schwarzhäupterhaus, das einst reichen und unverheirateten Kaufleuten als Versammlungsort diente. Das 42 Meter hohe Freiheitsdenkmal mit seiner täglichen Wachablösung als Erinnerung an die Unabhängigkeit von Russland. Die 1209 erbaute Petrikirche mit ihrem prunkvollen Interieur, in der heute Ausstellungen und Konzerte stattfinden. Oder die riesigen Hallen des Zentralmarkts, in dem täglich bis zu 140.000 Besucher einheimische Spezialitäten wie die Sauerampfersuppe kosten können: Riga, Lettlands Hauptstadt, hat viel zu bieten.
Roland Nyama wird sich einige der Sehenswürdigkeiten der „Perle des Baltikums“, wie die seit 2014 als europäische Kulturhauptstadt firmierende 600.000 Einwohner zählende Metropole an der Daugava auch gerne genannt wird, anschauen können, wenngleich er die Ostseemetropole nicht als Tourist kennenlernen wird.
Doch gut drei Wochen in jener Stadt, die Besuchern wie ein riesiges Freiluftmuseum erscheint, werden für den 30-Jährigen ausreichen, um den einen oder anderen Trip abseits des Sports zu unternehmen. Der Flügelspieler der JobStairs GIESSEN 46ers, der unlängst seinen Vertrag an der Lahn um zwei weitere Jahre verlängert hat, ist wieder einmal mit der Nationalmannschaft Kameruns unterwegs. Um sich für die Olympischen Spiele in Paris zu qualifizieren. Und um dem Heimatland seiner Eltern den größten basketballerischen Erfolg jemals zu bescheren. Was jedoch nicht leicht werden wird.
„Schon unsere Qualifikation für dieses Turnier war eine Sensation“ bekennt Roland Nyama, der jedoch an eine Außenseiterchance der Zentralafrikaner glaubt. „Erstens weiß man nie, wer bei welchem Land auftaucht. Und zweitens ist es völlig unklar, wie das Team dann funktioniert. Ich kann nur sagen, dass wir eine eingespielte Truppe haben, was nicht von Nachteil ist.“
In der 2006 eröffneten Arena Riga im Stadtteil Skanste (deutsch: Schanze) trifft Kamerun am Mittwoch, 3. Juli, zunächst auf den WM-Elften Montenegro, ehe ein Tag später das Duell mit dem Weltmeister der Jahre 1959 und 1963, Brasilien, auf dem Programm steht. Die ersten beiden dieser Dreiergruppe qualifizieren sich für das Halbfinale und treffen dort entweder auf die Gastgeber, auf Georgien oder auf die Philippinen. Nur der Turniersieger fährt in die französische Hauptstadt, in der die Basketball-Wettbewerbe zwischen dem 28. Juli und dem 11. August ausgetragen werden.
Außer Gastgeber Frankreich haben sich bei der WM im vergangenen Jahr in Japan, Indonesien und auf den Philippinen neben Weltmeister Deutschland und Vize Serbien noch die USA, Kanada, der Süd-Sudan, Australien und Japan für Olympia qualifiziert. Zu diesen acht Teams gesellen sich die vier Gewinner der Qualifikationsturniere, die zwischen dem 2. und 7. Juli außer in Riga noch in Valencia, Piräus und San Juan/Puerto Rico stattfinden.
Roland Nyama startet bereits am 15. Juni in Richtung Lettland. „Unser Erfolgscoach Alfred Aboya Baliaba hat ein zweiwöchiges Trainingslager davorgeschaltet. Wir haben also alle Möglichkeiten, um uns einzuspielen“, freut sich der 46ers-Profi, die Jungs seines Nationalteams, die in Riga Unterstützung durch die beiden Big Man Yves Missi (Baylor University/Texas) und Ulrich Chomche, der für die NBA-Akademie im Senegal aktiv ist, erhalten werden. „Sie werden uns noch einmal qualitativ nach vorne bringen.“
Was auch nötig sein wird, denn die Hürden für Kamerun sind ebenso hoch wie die letzten Rückschläge für den Familienvater bitter. Das unerwartet frühe Viertelfinal-Aus in den Playoffs der BARMER 2. Basketball-Bundesliga ProA gegen die PS Karlsruhe LIONS hat auch Roland Nyama zugesetzt. Zehn Tage hat er komplett pausiert und keine Basketball-Themen an sich herangelassen. Dann hat er aber in den Rivers das Training mit einigen Jungs wie Luis Figge, Viktor Ziring oder Alen Pjanic wieder aufgenommen. Morgens eineinhalb Stunden Basketball, nachmittags Fitnesstraining bei „Pelahn“ in Klein-Linden, dazwischen Jogging mit Hündin Norah oder Ausflüge mit Ehefrau Jennifer und Töchterchen Aurelie.
„Es ist einfach, außer Form zu kommen. Es ist aber leichter, in Form zu bleiben“, lacht der gebürtige Frankfurter, der nicht das Gefühl hatte, in den Urlaub fahren zu müssen: „Nach unserem Ausscheiden war harte Arbeit statt Entspannung angesagt. Ich spürte eine Art Rest-Aggression in mir, die ich unter den Körben am allerbesten ausleben konnte.“ Nyama hat in sich hineingehört. „Das Scheitern fühlte sich irgendwie so an, als hätte ich einen geliebten Menschen verloren. Irgendwann musst du einen solchen Verlust akzeptieren.“
Sportlich ist er inzwischen an diesem Punkt angekommen. An einem Punkt, an dem es gilt, nach vorne zu schauen. Mit seinen Jungs aus Kamerun in Richtung Paris. Und mit denen der 46ers in Richtung Saison 2024/25, in der er einen erneuten Anlauf zum Aufstieg in die BBL nehmen möchte. „Unser Trainer Frenki Ignjatovic vertraut mir, sonst hätte ich meinen Vertrag nicht um zwei weitere Jahre verlängern können“, will Nyama in der Osthalle weiter sein Bestes geben.
Wie auch in Riga, wo zunächst einmal Montenegro und Brasilien auf die „unzähmbaren Löwen“ warten.
12.06.24