63 Jahre und kein bisschen leise. Wenn Unparteiische wieder einmal mit ihren Pfiffen völlig daneben liegen, platzt ihm immer noch der Kragen. Dann gibt es kein Halten, kann es vorkommen, dass er seine imposante Gestalt aus der Reihe zwei in Block B an allen überforderten Ordnern vorbei bis zum Kampfgericht schiebt und den Schiedsrichtern „in aller Ruhe“ erklärt, wie das Spiel wirklich funktioniert. Die Sporthalle Ost ist und bleibt das Wohnzimmer von Klaus „Dschang“ Jungnickel, dessen Name untrennbar verknüpft ist mit den großen Basketball-Erfolgen des MTV 1846 Gießen in den sechziger und siebziger Jahren.
Die „goldene Hand“ wurde Klaus Jungnickel von seinen Basketball-Kollegen auch genannt. Und wer sich die Punkteverteilungen der MTV-Spiele jener Zeit anschaut, weiß auch, warum er so genannt wurde. Selten gab es eine Partie, in der Jungnickel mit weniger als zwanzig Punkten notiert wurde. Die Basketball-Philosophie „Gebt mir den Ball und spielt ihr eine gute Verteidigung“ wurde zwar nicht von ihm erfunden, ist aber unverbrüchlich mit seiner Spielweise verbunden. Dschang ist der einzige Basketballer, der auch schießt, wenn er den Ball nicht hat, frotzelten seine Mitspieler gerne. Und der Erfolg gab Klaus Jungnickel immer Recht.
Die Deutschen Meistertitel 1965, 67 und 68 prägte der Center, der aber auch gerne mal ab der Mittellinie schießt, entscheidend mit. 1975 coachte er eine vor der Saison als chancenlos eingestufte, junge Mannschaft als Rookie zum 4. Deutschen Meistertitel für den MTV 1846 Gießen. In den sportlich weniger erfolgreichen achtziger Jahren gehörte Dschang Jungnickel zu dem Kreis „alter Herren“, die den Basketball in Gießen aus ihrer Privatschatulle am Leben erhielten. Häufig genug stöhnten in jener Zeit, als manch ein durchtrainierter, basketballerisch aber eher hausbackene Spieler die Geduld der Fans auf eine harte Probe stellte, manche Beobachter der Szene: „Was könnte der Spieler x oder y für ein guter Basketballer sein, wenn er seinen Körper behielte, aber dazu die Schusshand vom Dschang bekäme!“
Wenn es irgendeinen Spieler gibt, der die Gießener „Hall of Fame“ eröffnen kann, dann ist das Klaus „Dschang“ Jungnickel. Er wäre nicht er selbst, bliebe er bei (vermeintlichen) Fehlentscheidungen oder basketballerischen Minderleistungen auch mit 63 Jahren auf einmal leise.
Text: Wolfgang Lehmann
Bild: -GAZ Foto- Russ