46ers gewinnen das erste Playoff-Viertelfinale in Bremerhaven trotz eines 18-Punkte-Rückstandes zur Halbzeit in der Overtime noch 109:98.
An der für gewöhnlich stürmischen Nordsee sind die GIESSEN 46ers über Bremerhaven – zumindest nach dem Wechsel – spektakulär hinweggefegt und haben die Eisbären von ihrer Scholle gestoßen. In einem an Leidenschaft und Dramatik kaum zu überbietenden ersten Playoff-Viertelfinale der BARMER 2. Basketball-Bundesliga ProA setzte sich der Altmeister im hohen Norden mit 109:98 (32:50, 92:92) in der Overtime durch und holte sich im Best-of-five-Vergleich damit das Heimrecht zurück.
„Ziel erreicht, Tür geöffnet, aber kein Grund zum Feiern“, fasste Cheftrainer „Frenki“ Ignjatovic gegen 23.15 Uhr beim Besteigen des Mannschaftsbusses den Abend nüchtern zusammen. „Wir sollten auf dem Teppich bleiben, denn wir haben nur ein Spiel gewonnen, brauchen aber drei Siege. Zumindest dürfte unsere Osthalle am Samstag brennen.“
Davon ist auszugehen, wenngleich seine Jungs im übertragenen Sinne mit dem Vergleich ihres Dirigenten an der Seitenlinie in Halbzeit eins auch so gar nichts anzufangen wussten. Sie lagen nach einem schnellen Dreier durch Simon Krajcovic, der an alter Wirkungsstätte groß aufspielte, mit 3:0 (1.) und nach einem Wurf von Robin Benzing ins Gesicht von Zharon Richmond zum 17:15 (7.) zwar vorne, verloren im zweiten Abschnitt aber, wie es Nico Brauner später formulierte, „völlig den Faden“.
Der krachende Dunk durch Viktor Kovacevic zum 24:32 (14.) sollte für lange Zeit der letzte Feldkorb für Gießen, das bis zum Pausen-32:50 nur noch von der Freiwurflinie erfolgreich war, gewesen sein. Kaum jemand hatte zu diesem Zeitpunkt und einer durchaus ernüchternden Performance noch einen Pfifferling übrig für die 46ers, die sich allerdings grandios ins Match zurückkämpften.
„So etwas habe ich in meiner langen Karriere bisher auch eher selten erlebt“, blies Capitano Robin Benzing aus Downtown höchstpersönlich zur Aufholjagd (35:50, 21.). Die 46ers warfen sich nach jedem Ball, fighteten aufopferungsvoll, verteidigten leidenschaftlich, setzten Bremerhaven unter Druck, erzwangen Ballverluste und trafen vorne auch endlich sicher. „Wir waren physisch und bissig“, so Benzing.
Die Hausherren bekamen plötzlich das große Flattern, als Luis Figge einen eigenen Steal per Tempogegenstoß zum 43:53 (23.) abschloss, Kyle Castlin seinen Kontrahenten Carlos Carter wie in einer Telefonzelle frisch machte (51:59, 25.), Simon Krajcovic wie beim Traumpass auf Mladen Vujic (55:62, 26.) mehrfach ein brillantes Auge bewies, der wiedergenesene Kevin McClain endlich explodierte (64:67, 30.) und Simon Krajcovic als Balldieb die anfängliche Führung zurückeroberte (68:67, 31.). „Castlin, McClain, Figge, Benzing, Krajcovic – egal wen ich aufzähle, es hat auch von außen großen Spaß gemacht, zuzuschauen“, zollte Nico Brauner, der in Halbzeitz zwei und in der Overtime fast gar keine Rolle mehr spielte, seinen Nebenleuten ehrlichen Respekt.
Beim 79:73 durch Viktor Kovacevic (34.) nach grandiosem Pass von Kevic McClain hatten die 46ers das Match komplett gedreht, mussten dann aber doch noch in die fünfminütige Verlängerung, weil Mladen Vujic und Viktor Kovacevic mit fünf Fouls das Feld verlassen und Luis Figge nach einem bösen (durch die Refs ungeahndeten) Ellenbogen-Hieb von Hendrik Warner mit aufgeplatzter und blutender Lippe erst einmal minutenlang zum Zuschauen verurteilt war. „Er ist unser emotionaler Leader, er gibt uns jene Aggressivität, die in den Playoffs notwendig ist“, sparte „Frenki“ Ignjatovic nicht mit Lob an jenem Mann, der die mit 16:7 gewonnene Nachspielzeit nicht nur mit einem verwandelten Freiwurf zum 93:94 (41.) einläutete, sondern sie mit einem Dreier zum 109:98-Endstand auch finalisierte.
Dazwischen lagen zwei überragende Soli von Top-Scorer Kyle Castlin (97:96, 42.) und Simon Krajcovic (99:98, 42.), ein Ballklau von Robin Benzing gegen Bremerhavens Regisseur Elijah Miller (43.), ein eiskalter Dreier durch Kyle Castlin zum 102:98 (43.), ein Offensivrebound von Luis Figge zum 104:98 (44.) und zwei verwandelte Freiwürfe von Simon Krajcovic zum 106:98 eine halbe Minute vor Schluss, die den Eisbären endgültig den Zahn zogen.
„Wir haben absolut verdient gewonnen, weil wir nie den Kopf verloren und immer an uns geglaubt haben“, resümierte „Frenki“ Ignjatovic. In der Halbzeit hatte er angesichts eines 18-Punkte-Rückstandes die Nerven bewahrt „und nur taktisch ein bisschen was umgestellt.“ Was, das wollte der Trainerfuchs aus Belgrad natürlich nicht verraten, „darüber soll sich mein Trainerfreund Steven Esterkamp selbst mal schön den Kopf zerbrechen.“
Dem Mann aus Cincinnati/Ohio war die Enttäusch vor laufenden Kameras von Sportdeutschland.TV ins Gesicht geschrieben. „Viel zu viele Turnovers, schlechte Pässe und keine Disziplin“, hatte der 44-Jährige bei den Eisbären nach dem Wechsel ausgemacht. „So kannst du in den Playoffs einfach nicht auftreten.“
Ganz anders die GIESSEN 46ers, die laut Luis Figge „mit viel Energie“ an der Nordsee über die Eisbären hinweggefegt waren.
Bremerhaven: Miller (23), Biss (14), Schmitz (2), Carter (5), Breitlauch (8), Hemschemeier (9), Richmond (8), Norl (4), Warner (19), Rissetto (6).
Gießen: Warnholtz (3), Castlin (27), McClain (8), Benzing (21), Maier (4), Figge (10), Nyama (n.e.), Kovacevic (13), Vujic (9), Krajcovic (14), Brauner.
UND SONST NOCH …
- Unsere Starter: Kyle Castlin, Jonathan Maier, Viktor Kovacevic, Simon Krajcovic, Nico Brauner.
- Unser Konditions-Wunder: Kyle Castlin (38:43 Minuten).
- Unser stärkster Rebounder: Viktor Kovacevic (7).
- Unser erfolgreichster Passgeber: Simon Krajcovic (9).
- Unsere höchste Führung: 109:98 (+11), 45. Minute.
- Unsere erfolgreichste Serie: 10:0 zum 71:67, 32. Minute.
- Unsere emotionalen Beobachter: 1797 Zuschauer in der Stadthalle Bremerhaven, davon 20 aus Gießen.
- Unser nächster Auftritt: Samstag, 3. Mai (19.30 Uhr), in der Osthalle gegen die Eisbären Bremerhaven.
Playoff-Viertelfinale der 46ers: Spiel eins nach Overtime 109:98 bei den Eisbären Bremerhaven gewonnen, Spiel zwei (Samstag, 3. Mai, 19.30 Uhr, in der Osthalle gegen Bremerhaven), Spiel drei (Dienstag, 6. Mai, 19 Uhr, in Bremerhaven), mögliches Spiel vier (Donnerstag, 8. Mai, 20 Uhr, in der Osthalle gegen Bremerhaven), mögliches Spiel fünf (Samstag, 10. Mai, 19.30 Uhr, in Bremerhaven).
Die anderen Playoff-Viertelfinals, Spiel eins: HAKRO Merlins Crailsheim – Phoenix Hagen 78:71, Science City Jena – VfL SparkassenStars Bochum 99:75, VET-CONCEPT Gladiators Trier – Tigers Tübingen 105:86.