Nach einer unerwarteten 79:87-Playoff-Niederlage gegen Karlsruhe stehen die JobStairs GIESSEN 46ers unter Druck
„Frenki“ Ignjatovic saß minutenlang wie versteinert auf seinem Stuhl in der allerhintersten Ecke des VIP-Raums der Osthalle und suchte Trost bei seiner Frau Gordana und Sohnemann Djordje. Natürlich wegen der Niederlage gegen die PS Karlsruhe LIONS, die ihn bis ins Mark erschüttert hatte. Aber auch ob einer Attacke, die ihn nach Spielschluss auf dem Weg in die Kabine ereilt hatte.
„So etwas habe ich nicht verdient“, schüttelte der Serbe ungläubig den Kopf, nachdem ihn ein alkoholisierter Anhänger verbal attackiert und wüst beschimpft hatte, ehe Teammanager Jan Heppner einen Security-Mitarbeiter rufen und dieser den Mann an die frische Luft setzen konnte. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Wir haben hier zwei tolle Jahre gehabt und sehr viele Spiele gewonnen. Da kommt einer daher und schreit, ich würde untätig herumstehen“, war der 57-Jährige in seiner Ehre gekränkt. „So etwas gehört sich nicht!“
Dass Ignjatovic den Anhänger daran hindern konnte, die Kabine zu betreten, war vielleicht das Glück des Randalierers, der sich dann einer Mannschaft gegenübergesehen hätte, die nicht zu Späßen aufgelegt gewesen wäre. Zu tief saß die Enttäuschung, zu bitter war die Pleite, die die JobStairs GIESSEN 46ers im dritten Playoff-Viertelfinale der BARMER 2. Basketball-Bundesliga ProA gegen die Badener hatten hinnehmen müssen. Beim 79:87 (44:39) hatten sie den 1:2-Rückstand in der „Best-of-five“-Serie zu quittieren, so dass die Löwen am Freitag in eigener Halle den Sack zumachen und ins Halbfinale einziehen können. Was die Mittelhessen aber verhindern wollen.
„Ich kann versprechen, dass wir alles geben werden. Noch sind 40 Minuten zu gehen, noch ist überhaupt nichts beendet“, gab sich Branislav Ignjatovic kämpferisch und erhielt Unterstützung durch seinen Kapitän Robin Benzing: „Wir haben nur ein Spiel verloren, mehr nicht. Karlsruhe ist uns nun einen Schritt voraus, wir aber sind noch lange nicht am Ende“, schickte der 35-Jährige einige Minuten nach der ersten Heimniederlage seit dem 81:85 am 2. Januar gegen Trier sogleich eine Grußadresse in Richtung Karlsruhe. „Sie haben heute viel richtig gemacht und hochprozentig getroffen, wir hatten bei vielen Würfen großes Pech. So etwas kann sich auch ganz schnell ändern.“
Und Luis Figge, der zwischen der sechsten und der 14 Minute stark blutend pausieren musste, nachdem ihn im Gewühl ein Ellenbogen getroffen und sich ein Zahn in seine Oberlippe gebohrt hatte, ergänzte: „Wir waren heute sehr nervös und hatten irgendwie keine Idee, wie Karlsruhe zu knacken ist. Am Freitag wird das ganz anders aussehen.“
Auch am Abend vor dem Vatertag hatten zunächst die Hausherren den Fuß auf dem Gaspedal. Stefan Fundic eröffnete den aus Gießener Sicht nur anfangs unterhaltsamen Abend, indem er Dennis Tunstall beim 2:0 wie in einer Telefonzelle frisch machte. Simon Krajcovic ließ einen Dreier zum 14:8 (4.) einschweben. Robin Benzing zeigte sich an der Freiwurflinie (acht von acht) gewohnt sicher. Und als Duane Wilson per frechem Solo auf 38:28 stellte, hatten die 46ers per 11:0-Lauf (16.) gezeigt, wer Herr im Hause ist.
Doch die Gäste, denen das gellende Pfeifkonzert gegen Sonntags-Rabauke Bakary Dibba nichts ausmachte, blieben dran, egalisierten nach einem eigenen 11:1-Run zum 39:39 (19.) und profitierten im dritten Durchgang von zahlreichen Gießener Eigenfehlern, von denen sie sich in Halbzeit eins nicht einen einzigen geleistet hatten. „Es ist schon merkwürdig, eine Partie am Ende noch deutlich zu verlieren, in der die Turnover-Statistik eine völlig andere Sprache spricht“, war „Frenki“ Ignjatovic verwundert, dass die Löwen am Ende 18 Ballverluste, Gießen aber nur deren zehn aufzuweisen hatte.
Beim 76:61 (33.) lag Karlsruhe mit 15 Zählern schon fast uneinholbar vorne; und die Lahnstädter wirkten beeindruckt. Stefan Fundic legte beide Freiwürfe daneben, Roland Nyama und Robin Benzing erlaubten sich leichte Fehler, was der Kapitän am Ende auch selbstkritisch hinterfragte: „Ich habe heute nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen und auch nicht so souverän wie sonst getroffen“, nahm der 167-fache Internationale einen Teil der Schuld auf sich.
Als Simon Krajcovic in der Crunchtime gleich drei Würfe aus dem Off einschweben ließ, keimte kurzzeitig Hoffnung bei den Fans auf, doch erwies sich die Gießener Aufholjagd nur als Strohfeuer. „Gießen ist auch am Freitag bei uns der Favorit“, schob Löwen-Coach Aleksandar Scepanovic den 46ers die Favoritenrolle zu, was „Frenki“ Ignjatovic mit einem müden Lächeln zur Kenntnis nahm. Schließlich möchte er nach einem freitäglichen Ausflug ins kaum eine Stunde von seinem Wohnort Ober-Ramstadt entfernte Karlsruhe noch keinen Urlaub machen. Sondern das, so Luis Figge, „Do-or-die-Match“ in der drittgrößten Stadt Baden-Württembergs erst einmal gewinnen.
Gießen: Wilson (14), Crews (3), Heyne (n.e.), Herget (n.e.), Fundic (12), Benzing (15), Maier, Figge (8), Kahl, Kovacevic (n.e.), Nyama (9), Krajcovic (17).
Karlsruhe: Dibba (15), Williams (10), Kiselovs (n.e.), Dent (14), von Waaden (5), Bailey Jr. (4), Tunstall (16), Jostmann (10), Ani, Haarmann (n.e.), Albus (13).
5 gute 46ers-Zutaten
Zuschauer: 2703
Zuversicht: 17 Punkte von Simon Krajcovic
Zugriff: 11 Rebounds von Stefan Fundic
Zuarbeit: 5 Assists von Stefan Fundic
Zukunft: Freitag, 10. Mai, 19.30 Uhr, Lina-Radke-Halle: PS Karlsruhe LIONS – JobStairs GIESSEN 46ers
Weitere Ergebnisse Playoff-Viertelfinale, Spiel 3: Phoenix Hagen – Bozic Estriche Knights Kirchheim 78:97 (Playoff-Stand 1:2), RÖMERSTROM Gladiators Trier – Uni Baskets Münster 88:75 (Playoff-Stand 3:0, Trier im Halbfinale), FRAPORT SKYLINERS – Medipolis SC Jena 74:63 (Playoff-Stand 2:1).
So geht es weiter: Medipolis SC Jena – FRAPORT SKYLINERS (Fr., 19.30 Uhr), Bozic Estriche Knights Kirchheim – Phoenix Hagen (Fr., 20 Uhr).
09.05.24