Ein gefühltes Jahrzehnt lang war er nicht aus dem Kader der GIESSEN 46ers wegzudenken: Florian Hartenstein absolvierte zwischen 2001 und 2009 237 Partien für den Traditionsclub. Mehr schafften in der gesamten Clubhistorie überhaupt nur sechs Spieler.
BBL-Spiele für Gießen: 237
Position: Center
Punkte pro Spiel: 2.72
Trikot-Nummer: #14 / #54
Karrierestationen: TSV Speyer, University of Oregon (USA), GIESSEN 46ers, Artland Dragons
Warum war Hartenstein für die 46ers so wichtig?
Hartenstein agierte für Gießen in einer Ära, in der Brettcenter eine weit größere Rolle spielten als heute. Trotz seiner spielerischen Limitationen garantierte er den Lahnstädtern so über Jahre einen wuchtigen Backup unter den Brettern, dem in Sachen Hustle keiner etwas vormachte. In Erinnerung bleiben physische Duelle gegen Liga-Legende Chris Ensminger. Postete der „fränkische Ellenbogen“ gegen Hartenstein auf, war ein Foul meist vorprogrammiert. Konnte „Flo“ seinem Kontrahenten ein Offensivfoul anhängen, jubelte die Osthalle wie sonst nur bei einem gewonnenen Spiel gegen einen Großen der Liga. Umgekehrt hagelte es Buh-Rufe, wenn die Herren in Grau zu Ensmingers Gunsten entschieden. Fest steht: Hartenstein war sich nie zu schade, im Zweifelsfall die Knochen hin zu halten.
Florian Hartenstein: Freiwurf-Gott
Dafür sorgte auch sein muskulöser Körper, der ihn umgekehrt einen gewissen Touch im Umgang mit der Murmel missen ließ. Hartensteins Freiwurfquote lag fast immer unter 50%. 2007/08 waren es 28.6%. Ein Muskel spanne ihm in den Oberkörper, lautete die gängige Erklärung. Hartenstein stieg auf eine neue Freiwurftechnik um und warf einhändig. Die Osthalle musste kichern, er verwarf. Das Experiment war so nur von kurzer Dauer. Ein YouTube-Video von 2008 mit dem Namen „Flo Hartenstein Freiwurfgott“ zeigt, dass es im Training besser gelaufen sein musste. „Immer noch 80 Prozent“, raunzt ein Fan auf der Tribüne mit einer Mischung aus Anerkennung und Verblüffung – seinerzeit gab es einmal pro Woche ein öffentliches Training.
Ein Hartenstein für die ganze Basketball-Welt
2009 zog es Flo zu seiner letzten Karrierestation als Aktiver nach Quakenbrück. Sportlich spielte er dort als dritter Center keine große Rolle mehr. Dafür wurde der Hüne bei den Dragons schnell ins Jugendförderkonzept eingebunden. Dort verhalf er seinem eigenen Sohn zur ganz großen Karriere. Isaiah wurde 2017 von den Houston Rockets gedraftet. Im Juli 2022 unterzeichnete Hartenstein Junior einen Vertrag über 16 Millionen US-Dollar beim legendären Club der New York Knicks. Vater Florians Abschied aus der Osthalle fand am 21. November 2009 statt, als die Dragons in Gießen gastierten. Die Halle skandierte ein letztes Mal wie aus einem Mund: Hartenstein! Hartenstein! – wobei manch einer darauf beharrt, in der Regel „Hart wie Stein“ gerufen zu haben.
Text: Sebastian Kilsbach