(Foto: Norbert Schulz)

Gartenarbeit und Sliwowitz

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46ers-Cheftrainer „Frenki“ Ignjatovic über das überraschend schnelle Saisonende, seine Personalplanungen und die Ferien auf dem Balkan

Hessen-Rivale Frankfurt und die mittelhessische Dependance Hagen im Halbfinale, Hauptrunden-Vizemeister Gießen aber im vorzeitigen Urlaub: Auch einige Tage nach dem ebenso unerwarteten wie relativ deutlichen Ausscheiden aus den Playoffs der BARMER 2. Basketball-Bundesliga ProA nagen die Ereignisse und die Ergebnisse schwer an Coach „Frenki“ Ignjatovic. 82:98, 79:87 und 86:87 nach einem Auftakt-111:84 gegen die PS Karlsruhe LIONS, die inzwischen im Falle eines Aufstiegs von der BBL die Lizenz aus wirtschaftlichen Gründen verweigert bekommen haben, bedeuteten ein Viertelfinal-1:3 der JobStairs GIESSEN 46ers, die viele – im Verein und auf den Tribünen – schon in Richtung Bundesliga hatten marschieren sehen.

Mund abputzen, in die Ferien gehen und einen neuen Anlauf nehmen? Der Serbe, seit Sommer 2022 in der Verantwortung, gibt in einem Interview Auskunft.

 

Frenki, du warst nach dem Ausscheiden so niedergeschlagen, wie wir dich noch nie erlebt haben. Wie hast du Ablenkung gefunden? Und vor allem: Wie geht es dir einige Tage nach dem Ausscheiden?

Es geht mir ein wenig besser. Bis ich alles verarbeitet habe, werden aber sicher noch einige Wochen ins Land gehen. Nach der Rückkehr aus Karlsruhe habe ich kein Auge zugemacht. Gut, dass auch nachts Spiele aus der NBA im Fernsehen übertragen werden. Ich habe mich übers Wochenende mit Gartenarbeit und Sliwowitz abgelenkt. Samstag waren meine Frau Gordana und ich mit dem Koblenzer Trainer Marco van den Berg bei einer SPD-Veranstaltung zur Europawahl in Darmstadt. Seine Frau Katarina Barley ist schließlich die Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten. Aber auch dort haben wir meistens nur über Basketball geredet.

 

Ein ehemaliger 46ers-Trainer, nämlich Ingo Freyer, hat deinen Ex-Club Heidelberg in der BBL vor dem Abstieg gerettet, du als einst acht Jahre bei den Academics arbeitender Coach bist indes mit Gießen in der ProA gescheitert. Hat dich diese Konstellation frustriert oder hast du dich über den Heidelberger Klassenerhalt gefreut?

Was in Heidelberg passiert, ist mir relativ gleichgültig. Wir hatten genügend eigene Probleme, mich denen ich mich zu beschäftigen hatte.

 

Zurück zu deinen 46ers: Was ist schief gelaufen in den Playoffs?

Rückblickend war wahrscheinlich Platz zwei nach der Hauptrunde Gift für uns. Wir sind plötzlich von einem Mitfavoriten zu einem Favoriten aufgestiegen. Mit diesem Druck konnten wir nicht umgehen. Viel zu viele Menschen haben auf einmal über die BBL gesprochen, ohne dass wir intern richtig vorbereitet gewesen wären. Irgendwie hat uns das gelähmt.

 

Bist du trotz allem Frust dennoch froh, eine Saison hingelegt zu haben, die mit Platz zwei nach der Hauptrunde endete?

Aber natürlich! Unser Ziel war es von Anfang an, die Playoffs zu erreichen, etwas anderes habe ich nie gesagt. Als möglichen Aufsteiger habe ich uns erstmal nicht gesehen. Das frühe Ausscheiden aus den Playoffs darf uns den Blick für die Realität nicht trüben. Und die heißt nun mal Platz zwei nach der Hauptrunde und 25 Siege aus 34 Partien. So eine Bilanz ist mir mit noch keiner Mannschaft in der ProA geglückt. Was wir geleistet haben, erfüllt mich mit großer Zufriedenheit und mit Stolz. Und darauf sollten auch alle anderen in unserem Verein sowie die Fans, die uns unfassbar grandios unterstützt haben, stolz sein. Diese gute Saison kann uns niemand mehr nehmen oder wegdiskutieren.

 

Was hast du dir gerade gegen Karlsruhe vorzuwerfen?

Diese Frage habe ich mir nach unserem Ausscheiden jede Minute gestellt und mir den Kopf zermartert. Klar ist für mich, dass uns ein fünfter Ausländer deutlich mehr Stabilität verliehen hätte. Ich hätte im Winter auf eine solche Verpflichtung klarer hinweisen sollen. Ich wollte einen Top-Mann und keinen Alibi-Spieler, vielleicht war dies zu utopisch in unserer wirtschaftlichen Lage.

 

Das Team vermittelte den Eindruck, dass ihm in den letzten Partien in den entscheidenden Phasen ein wenig die Kraft und damit verbunden auch die notwendige Konzentration fehlte. War die Mannschaft unter dem Strich zu alt?

Wir hatten wahrscheinlich den höchsten Altersdurchschnitt aller Zweitligisten, damit einhergehend haben wir aber auch über die größte Erfahrung verfügt. Ich denke, uns hat schlicht der enge Playoff-Rhythmus geschadet. Wenn du eine sehr kleine Rotation mit Spielern hast, die angeschlagen waren, sich aber immer in den Dienst der Mannschaft gestellt haben, dann schaffst du es irgendwann nicht mehr, alle zwei oder drei Tage aufzulaufen.

 

Du hast dich im Winter um einen neuen Spieler bemüht, er ist dir aus finanziellen Gründen aber verwehrt worden. Hätte euch eine größere Rotation den Aufstieg beschert?

Garantien gibt es dafür selbstverständlich nicht. Klar ist aber auch, dass du für einen Bundesliga-Aufstieg auch viele Bundesliga-taugliche Profis benötigst. Und die hatten wir nun mal nicht ausreichend.

 

Wie wird sich das Gesicht der Mannschaft verändern?

Ich bin bemüht, um Stefan Fundic herum ein Team zu bauen. Ob er bleiben wird, entscheidet sich in den nächsten ein, zwei Wochen. Unser Kapitän Robin Benzing hat noch einen gültigen Vertrag. Dass uns Luis Figge, Roland Nyama und Jonathan Maier zwei weitere Jahre erhalten bleiben, hatten wir ja schon kommuniziert. In jedem Fall möchte ich das Team quantitativ und qualitativ verbessern, damit wir wieder eine gute Rolle in einer ProA spielen können, die kommende Saison nicht zu unterschätzen sein wird. Tübingen oder Crailsheim kommen von oben, Trier oder Frankfurt bleiben zweitklassig. Einige andere, die in dieser Saison hinter den Erwartungen geblieben sind, wollen angreifen, so dass auch 2024/25 das Unterhaus bärenstark besetzt sein wird.

 

Wie soll sich deiner Meinung nach der Spielstil deines Teams verändern?

Müssen wir viel ändern? Wir sollten nicht alles infrage stellen, die Saison war stark, auch wenn sie tragisch endete.

 

Sind die 46ers vielleicht in der ProA gut aufgehoben und sollten Gedanken an einen Aufstieg besser ad acta legen?

Ich bin nach Gießen gekommen, um eines Tages aufzusteigen. Ich sehe eine klare positive Entwicklung, und an der möchte ich weiter teilhaben. Außerdem vernehme ich von unserer neuen Führung deutliche Signale, dass für sie Mittelmaß keine Alternative darstellt. Gießen ist nun mal ein Erstliga-Standort. Um diesen wieder zu realisieren, werde ich alles tun.

 

Du hast noch einen Vertrag bis 2025. Sehen wir dich zum Trainingsauftakt im August also auf alle Fälle wieder in Gießen oder gibt es Angebote, die dich überlegen lassen?

Ich laufe nicht weg, nur weil wir an Karlsruhe gescheitert sind. Auch mir muss es erlaubt sein, diesen Schock erst einmal zu verdauen. Doch wenn wir am 12. August zum ersten Training wieder zusammenkommen, werde ich gestärkt aus dieser momentan noch misslichen Situation herausgegangen sein und voller Elan die neuen Aufgaben angehen.

 

Wie und wo wirst du die kommenden Wochen verbringen?

Auf dem Balkan. Serbien, Kroatien, Griechenland. Freunde treffen, ausspannen. Vier Wochen abzutauchen, muss auch mir gestattet sein.

 

15.05.24

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