Am Mittwochabend fand in der Gasthausbrauerei Alt-Giessen der 1. LTi GIESSEN 46ers Fan-Talk statt. Bei der Premiere der Veranstaltung, die zur festen Einrichtung werden soll, stellte sich Geschäftsführer Christoph Syring den Anhängern. Zweieinhalb Stunden lang wurde unter der Leitung von Moderator Thorsten Dlugosch Tacheles geredet. Rund 20 Fans waren anwesend und nutzten in offener und konstruktiver Atmosphäre die Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge darzustellen, Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten oder den Geschäftsführer der LTi 46ers zu verschiedenen Themen zu befragen.
Die LTi 46ers, von denen nahezu das komplette Geschäftsstellen-Team vor Ort weilte, hatten den Gedankenaustausch ins Leben gerufen, um im direkten Dialog von den Sorgen der Fans zu erfahren, aber auch Anregungen entgegenzunehmen. Diese wurden zahlreich geäußert. Konkrete Ideen gab es beispielsweise dazu, wie die Bindung zwischen Fans und Mannschaft verbessert werden kann. Vorgeschlagen wurde zudem, ein Experten-Gremium von heimischen Ex-Bundesligaspielern als „sportlichen Beirat“ zu installieren. Auch Themen aus dem Bereich Hallen- und Ticketorgansation (z. B. Platzierung Auswärtsfans, Einlass(kontrolle), technische Probleme bei Heimspielen) kamen zur Sprache.
Gewünscht wurde von Seiten der Fans auch mehr Mitspracherecht bei verschiedenen Entscheidungen, etwa darüber, zu welcher Musik die Mannschaft bei den Heimspielen einläuft. Thorsten Dlugosch gab allen Anwesenden als „Hausaufgabe“ auf, sich weitere Gedanken zu den angeschnittenen Themen zu machen, so dass dann beim nächsten Zusammentreffen, das für den August geplant ist, konkrete Maßnahmen festgelegt werden können.
Nachfolgend einige Statements von Christoph Syring zu verschiedenen Themen. Der LTi 46er-Geschäftsführer äußerte sich beim Fan-Talk …
… zur Saison 2010/2011: Was mir gefehlt hat, aber zwischendurch angebracht gewesen wäre: man hätte sich das ein oder andere mal wirklich auch einfach mal direkt nach einem Spiel entschuldigen können, für das was da teilweise dargeboten wurde. Das war wirklich ganz schön oft schwer verdauliche Kost. Deshalb möchte ich im Rückblick an jene Fans, die heute stellvertretend für alle anderen zu diesem Treffen gekommen sind, sagen: Sorry! (…) Die Mannschaft hat zu Saisonbeginn funktioniert, wir waren alle etwas euphorisiert. Da hat uns etwas der kritische Blick für das gefehlt, was nicht so rund läuft, aber noch nicht zu erkennen ist. (…) Als der Erfolg ausblieb, wurde die Unsicherheit in der Mannschaft größer und die Spieler wirkten dann teilweise wie gelähmt. Ich kann verstehen, dass das von Außen dann irgendwann mal so wirkt, als wollten die Spieler nicht. Aber was da wirklich in den Köpfen vorgeht ist schwer zu sagen.
(…) Spätestens nach der zwölften Niederlage in Serie ging es dann irgendwie schon um unsere Existenz. Ich hatte schon einen mittelfristig ausgelegten Plan mit Vladi (Bogojevic) auf dem Trainerposten zu arbeiten, weil ich grundsätzlich der Meinung bin, dass er sich als Trainer entwickeln kann. Die Situation hat das dann natürlich irgendwann nicht mehr zugelassen, weil ein Pulverfass am Entstehen war, das drohte zu explodieren. Vladi hat auch selbst erkannt, dass der Druck zu groß wurde und dann ja seinen Rücktritt erklärt. (…) Wir brauchten in der Situation dann jemanden, der in die Köpfe der Spieler hineinblickt und es schafft, die im Zuge der Negativserie entstandenen Blockaden zu lösen und Animositäten innerhalb der Mannschaft zu beenden und ich glaube, dass Steven Key diese Aufgabe gut erfüllt hat. (…) Letztendlich ist aber das einzig Gute an dieser Saison, dass wir sie sportlich überlebt haben. Jetzt geht es darum, dass wir die vielen negativen Erfahrungen in dieser Saison, die auch teure Erfahrungen waren, denn es ist viel Vertrauen verloren gegangen und die Wechsel bei Spielern und Trainer haben uns viel Geld gekostet, bestmöglich verwerten. Wir haben eine riesige Aufgabe vor uns und werden alles unternehmen, es besser zu machen.
… zur Forderung, einen Experten-Pool heimischer Ex-Spieler als „sportlichen Beirat“ zu nutzen: Wir müssen zusehen, dass wir die Dinge, in denen wir etwas falsch gemacht haben, erkennen und sie zukünftig besser machen. Ich bin dem Thema gegenüber offen, aber man muss schon sagen, das das Thema ja nicht komplett neu ist und im 46ers-Umfeld auch sehr kontrovers gesehen wird. Es gibt nicht wenige Stimmen im Umfeld, die davon abraten. Und um das mal klarzustellen: Selbst in der Zeit, als Vladi (Bogojevic) Trainer und Sportdirektor in Personalunion war, gab es eine ganze Reihe von anderen Leuten, die mit hohem Basketball-Sachverstand ausgestattet sind und mit denen er in regelmäßigem Diskussionsaustausch stand. Zuvorderst sind da die Assistenztrainer zu nennen. Also so ganz alleine war er da nie.
… der sportlichen Kompetenz bei den LTi 46ers: Ich fühle mich auch sicherer, wenn die Posten des Sportdirektors, des Cheftrainers und des Assistenztrainers mit drei Leuten besetzt sind und wenn diese sich untereinander austauschen, um Entscheidungen zu treffen. Wir haben dazu gelernt. In dieser Konstellation werden wir auch die kommende Saison angehen.
… zur Spielersuche/Verpflichten von vermeintlich günstigen Spielern aus der ProA: Ich glaube, da muss man mal mit einem Missverständnis aufräumen: völlig unabhängig von der Liga, die man sich anschaut: Der Markt ist heute viel zu transparent, als dass es diesen günstigen, aber schon offensichtlich guten und nach uns dürstenden Spieler in großer Stückzahl geben kann. Wir bekommen auch keinen Spieler, nur weil wir „schneller“ als andere sind. Kein Spieler, der was auf sich hält, macht einen Schnellschuss. Die Agenten sind doch alle irgendwo gleich gepolt, denen geht es vorwiegend um eines: die Maximierung des Einkommens ihrer Spieler, das ist ihr Job. Im Rückblick ist es so, dass man natürlich immer Beispiele findet, bei denen sich vermeintlich günstige Spieler woanders super entwickeln und dann fragt, warum wir den Spieler nicht auch auf dem Bildschirm hatten. Aber ich bezweifle stark, dass diejenigen, die diese Beispiele dann ausgraben, wissen, ob das vermeintliche günstige auch wirklich günstig war. Wir sind doch nicht die Einzigen, die sich um diese Spieler bemühen.
… zu Vertragsverlängerungen / Nachverpflichtungen unter Berücksichtigung des finanziellen Budgets: Wir haben in jedem Jahr das gleiche Problem: Natürlich möchten wir aus Gründen der Kontinuität und vielen anderen Dingen mehrere Spieler halten. Natürlich möchten wir diejenigen Spieler halten, die sich positiv entwickelt haben oder von denen wir relativ sicher sind, dass sie sich in eine gute Richtung entwickeln werden. Aber genau diese Spieler wollen halt auch immer deutlich mehr Geld. Und wir haben typischerweise von Saison zu Saison nicht sonderlich viel mehr Geld zur Verfügung. Wenn man also bei einem Spieler mal eine deutliche Gehaltssteigerung mitmacht, dann muss man das zwangsläufig an anderer Stelle wieder einsparen, so dass es am Ende aufgeht. Außer wenn man deutliche Budgetsteigerungen hat und nach denen sieht es leider nicht aus. (…) Wenn wir mitten in der Saison nachverpflichten müssen, ist das eine ganz schwierige Angelegenheit für uns. Es geht dann auch immer darum, Leute zu finden, die uns finanziell helfen. Zum Glück haben wir einen großen Unterstützerkreis. Aber auch hier sind dann die Entscheidungen für Nachverpflichtungen sehr deutlich durch die Eingeschränktheit der Mittel beeinträchtigt. Ich bin dann immer etwas überrascht, dass Außenstehende so völlig übertriebene Vorstellungen von unseren Möglichkeiten haben.
… zur Integration der Spieler und Teambuildingmaßnahmen: Das ist eines der wichtigsten Felder, auf dem wir sicherlich Verbesserungsbedarf haben. Wir haben das in der abgelaufenen Saison nicht gut hinbekommen, haben daraus aber gelernt und werden das jetzt viel stärker in den Vordergrund stellen in der Hoffnung, dass es dann auch Resultate bringt. Also in meiner Amtszeit war das jetzt das erste mal, dass wir da richtige Probleme bekommen haben, aber jetzt sind wir da sensibilisiert. Wir wollen auf jeden Fall zwei Dinge machen: Wir werden für unsere Spieler einen umfangreicheren Verhaltenskodex entwickeln als das bisher der Fall gewesen ist, weil wir denken, dass man eine ganze Reihe von möglichen Problemen dadurch schon im Vorfeld, als von mir aus sogar vor Vertragsunterschrift ansprechen und damit vorbeugen kann. (…) Und wir müssen viel mehr tun in Bezug auf die aktive Integration der Spieler in das normale Leben Gießens. (…) Wir hatten auch in der vergangen Saison Teambuilding-Maßnahmen, aber bei genauerer Betrachtung sind viele Dinge just von denen nicht richtig wahrgenommen wurden, mit denen wir dann später auch Probleme bekommen haben. Das ganze Thema wird auf jeden Fall intensiviert. Wir haben während der Saison angefangen Ideen zu sammeln. Die Liste der Dinge, die zusammen gemacht werden können und mit denen wir eine gesteigerte Integration und Bindung zu den 46ers und zu Gießen zu erreichen hoffen, wird stetig länger. Wir werden die Spieler z. B. viel stärker in unsere Jugendprogramme einbinden. Wir haben uns zudem überlegt, einen Teambetreuer zu installieren, der nicht nur bei den Spielen dabei ist. Es gibt nicht wenige Klubs, die eine solche Position besetzt haben und sehr zufrieden damit sind.
… zu Gerüchten um eventuelle Vorfälle zwischen Michael Jordan und Teamkollegen: Da sind viele wilde Gerüchte im Umlauf, die nicht wirklich zutreffen. Mike hat sich bei uns im großen und ganzen ordentlich eingefügt und es ist zu keinem nachhaltigen Problem mit seinen Mitspielern gekommen. Aufgrund des „Rufes“, den er diesbezüglich hat, wird ihm da halt schnell alles mögliche angedichtet.
… zur Trainerfrage: Das ist momentan natürlich unser Hauptthema. Steven (Key) hat momentan keinen Vertrag. Sein Job war uns in der ersten Liga zu halten. Das hat er geschafft. Ich habe aber ganz bewusst keinen Automatismus mit ihm vereinbart, dass sich der Vertrag nun direkt verlängert. Die Aufgabe in der abgelaufenen Saison war sehr spezifisch und ist nicht deckungsgleich mit neuen. Und wir möchten schon jetzt in aller Ruhe unsere Situation analysieren und den Markt ein wenig sondieren. Aber wie gesagt, machen wir das jetzt mit höchster Priorität.
… zu den heimischen Nachwuchsspielern: Natürlich wollen wir versuchen, einen Javon Baumann oder einen Dominic Lockhart zu einem festen Bestandteil unserer Bundesligamannschaft zu entwickeln, wir sind ja gerade dabei. Klar ist aber auch, dass das ein weiter Weg ist.
… zum Etat, auch im Vergleich zu den anderen Beko BBL-Klubs: In der abgelaufenen Saison sind die beiden vermeintlich finanzschwächsten Klubs in der Liga abgestiegen. Das zeigt, dass vieles von den Etats abhängt. Es gibt aber auch Ausnahmen und wir müssen sehen, dass auch wir zukünftig zu den positiven Ausnahmen gehören. Denn mit den Bayern kommt zur neuen Saison ein finanzstarker Klub in die Liga hinein. Und der andere Aufsteiger, Würzburg, wird sich dem Vernehmen nach auch mindestens mit uns auf Augenhöhe bewegen. Nach meiner Einschätzung liegen wir dann in der kommenden Saison mit unserem Budget in der Gruppe der kleinsten 4-5 Klubs.
… zum ab und an zu registrierenden „Negativ“ (Fäkalsprachen-)-Support der Fans: Dieser negative, ordinäre Support schadet uns. Es ist schwer auszumachen wie viel Schaden entsteht, aber er ist unbestreitbar da. Er ist immer wieder ein Stein des Anstoßes für andere Klubs, für die Liga, für unsere Sponsoren. Es gibt Leute, die uns sagen, dass sie deshalb ihre Tochter oder ihren Geschäftsfreund nicht zu den Spielen mitbringen. Das ist wirklich geschäftsschädigend für uns. Zum Glück haben wir das „Hose runter ziehen“-Stadium bei Auswärtsspielen hinter uns gelassen, denn das ist wirklich nicht zu akzeptieren. Der Ruf, den wir uns hier „erarbeitet“ haben, der kann mir nicht gefallen. Wir brauchen nicht den super sauberen Support, es gehört zum Fan-Sein auch mal dazu, etwas zu überspitzen, aber dieses ganz sinnfreie Negativding à la „Ihr seid alle Scheiße“, das geht nicht und bringt uns echt nicht weiter.
… zum Mitspracherecht der Fans: Wo es sich anbietet, ja, natürlich. Es gibt Einschränkungen, z. B. bei solchen Sachen wie der Farbe des Trikots, weil das für die Sponsoren hochrelevant ist in Bezug auf die Kompatibilität mit ihrem Logo. Aber in den Bereichen, in denen es machbar ist, beispielsweise der Auswahl der Einlaufmusik, können wir Dinge gerne gemeinsam mit den Fans angehen, wenn ein sinnvoller Informationsaustausch gewährleistet ist.