Interview mit Geschäftsführer & Sportdirektor Sebastian Schmidt – Geschehnisse eines Spieltages

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Die JobStairs GIESSEN 46ers erlebten am vergangenen Samstag ihr kleines Waterloo in der heimischen Sporthalle Gießen-Ost. Bereits nach dem ersten Viertel, welches mit neun Ballverlusten, einer Trefferquote von 0% aus dem Dreierbereich und einer insgesamt 20%-Trefferquote aus dem Feld behaftet war und 11:26 endete, war die Partie bereits in die falschen Bahnen gelenkt. Die drei nachfolgenden Viertel sollten keinen entscheidenden Wendepunkt mehr ergeben, sodass es Zeit ist für eine Nachbetrachtung durch Geschäftsführer & Sportdirektor Sebastian Schmidt. 


Sebastian, nach dieser deutlichen Heimniederlage – wie hast du dein restliches Wochenende verbracht?

Schlecht habe ich es verbracht. Es war in der Tat eine katastrophale Vorstellung von uns, vor allem in den ersten 30 Minuten. Von daher war nach Spielende und dem Sonntagmorgen erst einmal die Aufarbeitung des Geschehenen angesagt. Ich habe mir das Spiel mehrmals angeschaut und dabei im Nachgang viele Gespräche mit Pete geführt. Dabei geht die Aufarbeitung heute und morgen weiter. Im Fokus liegen dabei Gespräche mit den Spielern, um das Ganze Revue passieren zu lassen, denn das war in der Tat eine ganz schlechte Vorstellung von uns.

Direkt nach dem Spiel hast du dir das Mikro geschnappt und dich bei den Zuschauern für ihr Kommen bedankt, die trotz des – um nicht ganz deine Worte zu benutzen – „bescheidenen Spiels“ ihre 46ers unterstützt haben. War das eine spontane Aktion oder reifte diese Geste schon während der 40 Minuten gegen Crailsheim?

Ich war schon beeindruckt, muss ich ganz ehrlich sagen, von den Zuschauern und den Fans während des Spiels. Dass wir trotz teilweise 40 Punkten-Rückstands immer noch die Unterstützung von den Rängen hatten. Auch im letzten Viertel haben die Fans nicht nachgelassen und von daher war ich sehr beeindruckt und ich habe mir kurzentschlossen das Mikro genommen und gedacht, wenn man sich bei jemanden bedanken kann bei so einem Spiel, dann bei den Fans.

Nun sind die HAKRO Merlins Crailsheim eine Mannschaft, die aktuell im internationalen Geschäft zu finden sind und in den letzten zwei Jahren unheimlich an Reputation gewonnen haben. Doch der Gegner ist das eine – wie kannst du dir, um die Gazetten mal aufzugreifen, diese desolate Vorstellung der 46ers erklären?

Zunächst muss man sagen, das Crailsheim ein richtig gutes Team ist und bei aller Enttäuschung und Frustration, muss man auch sagen, dass Crailsheim vor allem in der ersten Halbzeit gefühlt fast jeden Wurf getroffen haben. Dabei war es auch nicht relevant, wie wir verteidigt haben, ob mit Hand im Gesicht oder ähnliches – die Würfe sind einfach gefallen. Das zum einen – und dann hat Crailsheim trotz unserer schwachen Leistung ein starkes Spiel geliefert. Aber wir waren von Beginn an mental nicht ready, waren gefühlt nur physisch auf dem Parkett. Wir hatten viel zu viele Ballverluste, haben einfache Korbleger nicht reingemacht, haben eine desolate Wurfquote gezeigt und so kann man dann natürlich kein BBL-Spiel gewinnen.

Die Analyse hast du schon angesprochen. Unabhängig von der bereits geschehenen Analyse, gibt es Gründe warum die Mannschaft so unkonzentriert wirkte und teilweise gefühlt neben sich stand?

Es gibt glaube ich in dieser Hinsicht mehrere Gründe. Wir hatten eine ganz schwere Trainingswoche. Kyan Anderson und Phil Fayne sind beispielsweise erst am Freitag wieder zum Teamtraining zurückgekehrt. Sie hatten also nur eine Trainingseinheit nach ihren Verletzungen bzw. Krankheiten. Zudem hatte sich Bjarne Kraushaar am Oberschenkel verletzt. Dies ist im Spiel gegen Würzburg bereits geschehen, sodass wir mit Reha-Maßnahmen versucht haben, ihn wieder vollständig fit zubekommen. Das war natürlich auch alles andere als optimal. Und dann haben wir ein paar Stunden vor dem Spiel noch die schockierenste Nachricht erhalten: Der Bruder von einem unserer amerikanischen Spieler wurde erschossen. Dieses furchtbare Ereignis hat selbstverständlich auch die Mannschaft mitbekommen. Sowohl der Spieler, der unbedingt spielen wollte, als auch die Mannschaft und wir standen ein wenig neben uns und sind immer noch geschockt. Der Spieler ist übrigens im Moment in den USA und wird in einer Woche wieder nach Gießen zurückkehren.

Hätte man im Nachhinein den Spieler die Entscheidung abnehmen müssen und sagen sollen, du spielst besser nicht?

Das ist eine sehr gute Frage, die haben Pete und ich uns am Samstagvormittag natürlich auch gestellt. Aber letztendlich glaube ich war es für unsere Situation wichtig, dass wir dem Spieler die Möglichkeit geben und in dem Falle hat es wenig mit Basketball zu tun, sondern es war einfach für den Spieler wichtig zu spielen. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn er nicht gespielt hätte, aber das ist nun nur hypothetisch. Wobei man noch ganz klar sagen muss: Es gibt wichtigere Dinge als den Sport oder die vermeintliche Arbeit und von daher haben wir uns dem Wunsch des Spielers angeschlossen.

Wie schnell die Stimmung in so einem emotionalen Umfeld kippen kann, kennt man in Gießen und anderen Destinationen zu Genüge. Warum wird diese Phase bei den 46ers zu Ende gehen? Und warum sollten die Zuschauer weiter in ihre Osthalle pilgern und das Team unterstützen?

Zum einen sind wir davon überzeugt, dass das Auftreten jetzt beim Heimspiel gegen Crailsheim ein Ausrutscher sein muss. Dabei meine ich nicht, dass man gegen Crailsheim nicht verlieren kann, sondern wie wir aufgetreten sind. Das ist absolut nicht das, für was wir stehen und stehen wollen und ich glaube auch, was wir den letzten Wochen und Monaten gezeigt haben, spricht eine andere Sprache. Wir werden natürlich nun ganz intensiv weiter analysieren, damit so etwas nicht einmal vorkommt. Jetzt stehen die Gespräche mit den Spielern an, aber ich weiß selbst, dass sie ebenfalls von sich selbst schockiert waren, aber man kann alles mit den äußeren Umständen ein wenig relativieren. Trotzdem möchte ich noch einmal betonen, dass das nicht als Entschuldigung gelten darf. Das ist vielleicht eine Miterklärung oder eine neue Sichtweise, wie man das Spiel jetzt betrachtet und es passt evtl. zusammen, aber eine Entschuldigung für das gesamte Auftreten ist es nicht.

Danke, Sebastian!

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