Holger Geschwindner, Mentor, Trainer und zweiter Vater von Basketball-Superstar Dirk Nowitzki, vertritt die Meinung, ein wesentlicher Unterschied zwischen deutschen Nachwuchs Basketballern früherer Jahre und heutiger Zeit sei deren soziale Herkunft. Geschwindner sinngemäß: Früher kam die Intelligenz, die ganzheitlich gebildeten Söhne aus gutbürgerlichem Elternhaus, zum Basketball. Heute müssen Jugendtrainer dafür Sorge tragen, dass neben Passen, Fangen, Werfen, Dribbeln auch noch ein bisschen Bildung zu den Spielern kommt. Michael „Bony“ Breitbach, Meisterspieler des MTV 1846 Gießen von 1975, ist ein lebendes Beispiel für die Richtigkeit der Geschwindner-These. Zumindest was die ältere Generation angeht.
Dr. Michael Breitbach, 1947 in Frankfurt geboren, war es nie genug, den dicken Ball in die kleine Reuse zu werfen – er wollte immer mehr. „Für meine Aufwandsenschädigungen, die ich vom MTV bekommen habe, kaufte ich mir vor allem Bücher, mal eine Schallplatte oder eine Konzertkarte.“ Der Mannschaftskapitän jener Mannschaft, die 1975 den vorletzten Titel für die MTV-Basketballer an die Lahn holte, hängte seine Basketball-Stiefel an den Nagel, als die Brutto-/Netto-Mentalität Überhand gewann. Breitbach, der heute noch im Chor singt, der Klavier spielt, Vorsitzender im Oberhessischen Geschichtsverein ist, publizistischen Interessen nachgeht und natürlich vor allem seit zehn Jahren als Kanzler der Justus Liebig Universität einem den Tag ausfüllenden Job nachgeht, wägte auch als Spieler schon immer ab: Wie wichtig ist mir das Basketball-Spiel? Wie fühle ich mich auch emotional in meiner Mannschaft aufgehoben?
Seine ersten basketballerischen Schritte unternahm der Jurist in Frankfurt unter dem späteren Gießener Hall of Famer Didi Kienast. Mit Frankfurt schaffte er auch den Aufstieg in die 1. Liga, wechselte dann zunächst nach Heidelberg, einer der damaligen Topadressen im deutschen Basketball. Aber was er dort erlebte, machte ihm seinen Sport madig. Er blieb ein Fremdkörper in der Mannschaft, war als Mensch ein Nichts. Gefragt waren ausschließlich seine sportlichen Qualitäten.
In Gießen hingegen, wohin der heute verheiratete Vater von zwei Töchtern 1971 wechselte, schätzte man seine basketballerischen Fertigkeiten. Und er traf auf ein Team zum Wohlfühlen. Schnell brachte sich „Bony“ Breitbach auch über die 1. Mannschaft hinaus beim MTV ein, trainierte die Junioren, wurde mit ihnen Meister, formte die späteren Titelgewinner Eberhard „Ebi“ Bauernfeind, Ullrich Strack oder Ingo Froese und Robert Minor. Aber gleichzeitig kümmerte sich Breitbach immer auch um das Leben außerhalb der Sporthalle Ost. Er verdingte sich an der Uni. Erst als wissenschaftliche Hilfskraft, dann als Mitarbeiter. Er bestand im Meisterjahr 1975 sein 2. Staatsexamen. Er prägte als Kapitän und Spielmacher aber auch den ganz speziellen Stil des Meisterteams: „Wir hatten ein gesundes Selbstvertrauen ohne jede Überheblichkeit. Wir wussten, einige Mannschaften sind besser als wir. Aber unsere Devise war: Niemals aufgeben.“
So schaffte es die Mannschaft um „Aushilfstrainer“ Klaus Jungnickel, ohne einen Spieler von über 2 Metern Körpergröße, mit Teamgeist, Kampfeswillen und Fast Breaks bis zum Umfallen, einen der vielen unerwarteten Titel nach Mittelhessen zu holen. Vor kurzem hat sich die 75er-Meistermannschaft zum Dreißigjährigen wieder getroffen. Kapitän Breitbachs Augen glänzen, wenn er von dem Revival erzählt. Aber nicht so sehr wegen der immer wieder gern erzählten und gehörten „Was waren wir früher für Kerle“-Geschichten. Sondern weil er sich darüber freute, zu welch interessanten Persönlichkeiten sich seine damaligen Kameraden entwickelt haben. Eben auch alles Typen, die in die Geschwindner-Theorie passen.
Den heutigen Bundesliga-Basketball verfolgt Dr. Michael „Boni“ Breitbach mit Interesse, aber auch einigem Abstand. Neben seinen vielen kulturellen Interessen publiziert er eine Vielzahl von Büchern und Artikeln, schreibt über Faschismus ebenso wie über sperrige Themen wie Legitimationskriterien von Amnestien oder Probleme im Zusammenhang mit dem Versammlungsverbot.
Text: Wolfgang Lehmann