Frankfurter Schule, das klingt nach dialektischer Kritischer Theorie, klingt nach Horkheimer, Adorno, Neomarxismus, Herbert Marcuse. Nicht so für die Basketball-Gemeinde des MTV 1846 Gießen. Zwar wurde auch die von den Auswüchsen einer „Frankfurter Schule“ in den späten Sechzigern und frühen Siebzigern befruchtet.
Allerdings waren das nicht Adorno und Kollegen, sondern Namen wie Bony Breitbach, Eberhard Bauernfeind oder Robert „Bobby“ Minor, die als große Talente vom Main an die Lahn wechselten und dem MTV zu seinen Meisterschaften 1975 und 1978 verhalfen.
Einer der jungen Wilden von Eintracht Frankfurt war Bobby Minor. Der heute 51-jährige Rechtsanwalt wechselte 1972 als frisch gebackener Abiturient aus der politischen Vorreiterstadt, die basketballerisch allerdings nicht zur Creme gehörte. Bony Breitbach, der den Wechsel vom Main an die Lahn bereits vollzogen hatte und beim MTV neben seiner Rolle als Spielmacher auch die A-Jugend trainierte, holte den 1,95 Meter großen „kleinen Center“ zu den Männerturnern. Gleich in seinem ersten Jahr spielte Minor sowohl in der Jugend wie bei den Großen. Er wurde A-Jugend-Meister und lernte auf der Centerposition von Tony Koski. Minor: „Koski war damals der beste Offensivcenter der Liga. Mit seinen 2,04 Metern hat der einen Schatten geworfen, da konntest du dich locker drin umziehen.“
Als dann 1975 mit Jochen Decker, Tony Koski und Kalli Ampt wichtige Spieler der ersten Fünf Gießen den Rücken kehrten, schaffte der Kadetten- und Junioren-Nationalspieler den Durchbruch. Der wuchtige und dynamische „Vierer“ mit viel Zug zum Korb schaffte mit der Überraschungsmannschaft von Trainer Klaus Jungnickel seine erste Meisterschaft bei den Senioren. Minor in der Rückschau: „Das war eine ganz eigene Qualität. Uns hatte niemand auf der Rechnung. Aber wir sind gerannt, haben gekämpft, sind gehüpft wie die Blöden.“ Heute kaum noch vorstellbar. Alle Spieler waren bereits eine halbe Stunde vor Trainingsbeginn in der Halle, weil sie sich einen Platz in den 3 gegen 3 oder 4 gegen 4 Zockerrunden vor dem offiziellen Übungsprogramm sichern wollten. Minor: „Dschang Jungnickel war da auch ein genialer Coach. Der hat uns spielen lasen. Auch während der Punktspiele. Wenn du da mal nicht getroffen hast, brauchtest du nie zu fürchten, ausgewechselt zu werden. Der kannte das von sich selbst. Wenn du zehn Mal vorbeischießt, gehen dafür die Schüsse elf bis dreißig rein.“
Derart gefördert schaffte Minor dann auch noch den Sprung in die A-Nationalmannschaft, widerstand aber allen Verlockungen von anderen Clubs und blieb ein 46er. Auch 1978 war er maßgeblich am Gewinn des bis heute letzten Meistertitels beteiligt. Drei Jahre später war es dann aber genug. Mit abgeschlossenem Studium und kurzem Intermezzo in Lich holte ihn Ebi Bauernfeind nach Oldenburg, wo Bobby Minor in eine Anwaltskanzlei eintrat und mit dem Basketball abschloss: „Es war eine tolle Zeit. Ich denke immer wieder gerne zurück. Aber jetzt ist es auch ein abgeschlossener Abschnitt.“ Zwar freut sich Bobby immer, wenn er die alten Kumpels der Frankfurter Schule wiedersieht oder sich mit den Meisterteams von 75 und 78 zum Klönschnack trifft. Aber das aktuelle Bundesligageschehen betrachtet der kleine Center der Meisterteams aus den Siebzigern nur noch aus der Distanz.
Text: Wolfgang Lehmann
Bild: -GA Foto- Stumpp