(Foto: Christoph Worsch)

Verpflegung aus der Pizza Pie

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Jenas Trainer Björn Harmsen über seine Zeit in Gießen, alte Verbindungen und ein lebenswertes Thüringen

 

Es läuft nicht! Nach acht Siegen in Serie hat Medipolis SC Jena inzwischen dreimal gepatzt: 62:73 in Düsseldorf. 93:101 im Gipfel gegen Trier. Und am Mittwoch unglücklich und nach klarer Führung noch 85:88 in Bayreuth. Die Thüringen sind auf Platz vier der aktuellen Tabelle der BARMER 2. Basketball-Bundesliga ProA abgerutscht; aus dem Spitzenspiel am Sonntag (17 Uhr) bei den JobStairs GIESSEN 46ers ist ein Verfolgerduell geworden. Es ist ein Match, das für Jenas Trainer Björn Harmsen (41) auf immer und ewig ein ganz besonderes sein wird.

 

Björn, deine Zeit in Gießen endete 2012 für dich eher unerfreulich, weil der Club deinen Vertrag nicht reaktivierte, obwohl er nach dem sportlichen Abstieg die Bewerbung um eine Wildcard ankündigte. Mit welchen Gefühlen kehrst du in die Osthalle zurück?

 

Ganz so dramatisch war es damals nicht, denn nach dem sportlichen Abstieg war ich mir mit den Verantwortlichen damals schnell einig, dass es wenig Sinn machen würde, weiterzuarbeiten. Wir haben uns dann einvernehmlich getrennt. Der Club stand vor der Insolvenz, die ja auch ein Jahr später eingetreten ist. Mir tat das besonders für die Fans sehr leid, die lange im Unklaren gelassen wurden, wie dramatisch es um die 46ers wirklich stand.

 

Wenn du außerhalb des Sports an deine Zeit in Gießen denkst, dann erinnerst du dich spontan an …

 

… sehr viele nette Menschen wie unseren Gesellschafter Frank Smajek, Gianni Ambrosio, den Chef der Pizza Pie, in der ich zwei- bis dreimal pro Woche essen war und immer am Familientisch sitzen durfte, aber auch an unsere Ärzte Petra und Wolfgang Leutheuser. Ich weiß noch, dass es mir gesundheitlich mal sehr schlecht ging. Da haben mir die beiden eine Infusion verpasst und mich mit zu sich nach Hause nach Lich genommen. Ich habe bei ihnen dann quasi unter Beobachtung übernachtet.

 

Wir gehen doch mal davon aus, dass die Verpflegung des Teams für die Heimreise aus der Pizza Pie kommt …

 

Aber natürlich, das ist doch Ehrensache. Selbst letztes Jahr, als ich Trainer in Münster war, haben wir in der Pizza Pie gegessen. Mein Team und ich wohnten während eines Turniers der Pointers im Hotel Steinsgarten und sind dann durch den Nahrungsberg und über die Licher Straße zu Gianni gelaufen. Das verstand sich von selbst.

 

Du suchst am Wochenende nach Basketball-Resultaten: Zuerst nach dem aus Münster, nach dem Gießen oder nach dem aus Weißenfels?

 

Das ist aber eine empathische Frage, sensationell. Also, Hand aufs Herz: Ich schaue eigentlich immer chronologisch, als zuerst nach dem Team, bei dem ich zuletzt gearbeitet habe, denn mit Münster verbindet mich noch sehr viel. Dann schaue ich in die BBL zum MBC, weil ich das Resultat der 46ers, die ja in der gleichen Liga sind wie wir, meistens sowieso schon kenne.

 

Ist der BBL-Aufstieg mit deinem Club Medipolis SC Jena Pflicht, könnte der Club überhaupt in dieser Halle im Oberhaus bestehen?

 

Der Aufstieg ist keine Pflicht. Unser Ziel ist es, in Jena nach dem Fast-Abstieg, den meist nur rund 1000 Leute verfolgt haben, eine neue Begeisterung zu entfachen. Wir müssen in der Stadt eine Identifikation mit dem Club haben, das funktioniert am besten mit eigenen Leuten und mit einer Leistung, mit der die Anhänger auch mal im Falle einer Niederlage leben können. Wir wollen unter die ersten Sechs, um uns im nächsten Jahr für den nationalen Pokal zu qualifizieren. Alles andere wäre eine Zugabe. In unserer Halle könnten wir in der Bundesliga spielen, vorausgesetzt, wir würden das eine oder andere Match als Eventspiel beispielsweise in unserer Messehalle vor dann 6000 Zuschauern austragen. Dann würden wir auf einen Schnitt kommen, der für die Liga zu akzeptieren wäre.

 

Du hast in Thüringen aus einem Abstiegskandidaten einen Aufstiegsanwärter gemacht. Wie?

 

Ich bin mit meinen Eltern im Alter von zwölf Jahren nach Jena gezogen, die Stadt und der Club sind mir eine Herzensangelegenheit. Ich verstehe, wie die Menschen ticken, ich weiß, was sie von der Mannschaft verlangen. So habe ich sie auch zusammengestellt. Wir haben eine perfekte Mischung aus jungen, deutschen Talenten und Ausländern, die Leistung bringen.

 

Für viele Reisende besteht Jena hauptsächlich aus der Plattenbausiedlung Lobeda. Was macht Jena aber wirklich lebenswert?

 

Dieses Vorurteil höre ich immer wieder, es stimmt aber nicht. Lobeda ist inzwischen hip, die Menschen reißen sich darum, dort wohnen zu dürfen. Jena ist eigentlich eine Kleinstadt mit vielen Studenten, so dass das kulturelle Leben sehr ausgeprägt ist. Gerade im Sommer hat die Stadt ein fast mediterranes Klima, weil es im Tal sehr warm ist. Jena ist umgeben von Bergen, die zum Wandern und Radfahren einladen. Überall gibt es Hütten für einen Einkehrschwung. Ich kann jedem nur empfehlen, mal nach Jena zu kommen. Und das nicht nur zu einem Tagestrip.

 

08.02.24

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