(Foto: Felix Wetzstein)

Wie auf einer Kreuzfahrt

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Wenn am Samstag die Artland Dragons nach Gießen kommen, haben die 46ers bisher fast alle Klippen umschifft

Ein bisschen ist es wie auf einer mondänen Kreuzfahrt: Die Routen und Zwischenstationen sind klar definiert, die Ziele von Kapitän „Frenki“ Ignjatovic ausgearbeitet und stringent vorgegeben. Und das Beste: Die Besatzung spurt. Sie umschifft alle Klippen, sie hält den Zeitplan ein. Ein „positives Punkteverhältnis nach zehn Runden“ hatte der Chef vorgegeben, 12:6 sind es nach neun Durchgängen geworden. Und es sollte schon mit dem Teufel zugehen, würden sich die JobStairs GIESSEN 46ers am Samstag (19 Uhr) in der Osthalle gegen Schlusslicht Artland Dragons von ihrem eingeschlagenen Kurs abbringen lassen.

Dennoch: „Das ist keine Laufkundschaft, die haben deutlich mehr drauf, als es ihr Tabellenplatz aussagt“, fordert Ignjatovic von seinen Männern, in der BARMER 2. Basketball-Bundesliga ProA den Kopf über Wasser zu halten, sprich die Playoff-Plätze weiter zu belegen. Was nach dem 97:90-Erfolg bei den Eisbären Bremerhaven, die den Mittelhessen vor gut einem Jahr noch eine der schmerzhaftesten Pleiten vergangener Jahrzehnte zugefügt hatten, trefflich gelang. Es war der zweite Auswärtserfolg der November-Trilogie, bei der Gießen im schwäbischen Kirchheim (99:105) zwar patzte, aber im ostwestfälischen Paderborn (88:78) und eben am Sonntag an der Nordseeküste – vom Smutje bis zum Kapitän – ganze Arbeit leistete. Wenn das keine gelungene Kreuzfahrt ist …

Mit dem Duell gegen den 18. aus Quakenbrück beginnt für die 46ers ein Reigen von sechs Partien innerhalb eines Monats. Vier davon steigen vor eigenem Publikum, vor dem sich die Männer um Ex-Nationalspieler Robin Benzing nur gegen Spitzenreiter FRAPORT SKYLINERS (69:92) hatten geschlagen geben müssen. „Die Liga ist in diesem Jahr völlig verrückt. Jeder kann jeden schlagen. Deshalb ist es wichtig, von Spiel zu Spiel zu denken und immer voll fokussiert an die jeweilige Aufgabe heranzugehen“, warnt Branislav Ignjatovic vor den Artland Dragons, die er als „ordentlichen Brocken mit viel Erfahrung“ bezeichnet.

Erfahrung, die besonders der langjährige 46ers-Kapitän Brandon Thomas verkörpert. Der 39-Jährige kam im Sommer aus Jena in den niedersächsischen Landkreis Osnabrück, um eine Mannschaft zu führen, die mit ProA-Topscorer Will Christmas (Hamburg), dem auch in Gießen zeitweise gehandelten Center Marco Bacak (Trier) und Playmaker Demetrius Ward (Kirchheim) drei letztjährige Stützen offenbar nicht nur einbüßte, sondern kaum adäquat ersetzen konnte. Dennoch glaubt Ignjatovic, „die kommen nach da unten raus, es sollte mich wundern, wenn die Artland Dragons am Ende absteigen.“

Denn: Gerade Brandon Thomas und Pointguard Buzz Anthony, die Ignjatovic ebenfalls im Sommer gerne verpflichtet hätte, bürgen für Qualität. Thomas war schlicht nicht zu finanzieren und deshalb auch nicht zu einer Rückkehr an die Lahn zu bewegen. Und Anthony, der vergangene Saison in Paderborn groß aufspielte, entschied sich für die Offerte von KB Bashkimi Prizren im Kosovo, wo er jedoch nur zwei Monate blieb, ehe er sich den Artland Dragons anschloss. Zuletzt, beim 73:88 gegen Kirchheim, stand Buzz Anthony 38 Minuten auf dem Parkett, markierte 14 Punkte und streute elf Assists ein. Der in Bitburg in der Eifel geborene Brandon Thomas agierte gegen die Schwaben 30 Minuten auf dem Feld, besorgte elf Zähler und sammelte acht Rebounds ein.

Bester Schütze der Gäste, die vergangenen Woche nochmals auf dem Transfermarkt aktiv wurden und den litauischen Power Forward Justinas Jogminas vom dortigen Erstligisten Vytautas Prienu unter Vertrag nahmen, ist bisher mit Kilian Binapfl ebenfalls ein ehemaliger Gießener. Der 23-Jährige, der unter Coach Pete Strobl zum Bundesliga-Abstiegsteam 2022 gehörte, kam in seinen sieben Auftritten für Quakenbrück auf durchschnittlich 14 Punkte und sechs Rebounds. Mit einer Dreierquote von knapp 44 Prozent ließ Binapfl darüber hinaus Fähigkeiten aufblitzen, die er in der Osthalle nie zeigen konnte.

„Wenn wir uns defensiv stabilisieren, dann können wir in dieser Spielzeit weit kommen“, weiß Coach „Frenki“ Ignjatovic, wo er in den kommenden Wochen im Training den Hebel ansetzen muss. In der Offensive sind seine Männer Liga-weit spitze, in der Defense allerdings nur grauer Durchschnitt. Lediglich die hinter dem Rangsechsten von der Lahn liegenden Teams aus Koblenz, Düsseldorf, Bremerhaven, Bochum und eben Quakenbrück haben bisher schlechter verteidigt. „An unserer Defense müssen wir noch schrauben“, hatte auch Luis Figge nach dem vierten Auswärtssieg dieser noch jungen Saison an der Nordseeküste erkannt, an der am Ende eine klar bessere Freiwurfquote, 35 gegenüber 27 Rebounds, nur elf gegenüber 15 Turnovers, eine geschlossene Teamleistung und die deutlich größere Abgezocktheit den Ausschlag gaben.

Dass die Artland Dragons, die in Bochum (79:80), gegen RASTA Vechta II (81:84) und in Bremerhaven (74:80) lange am Sieg schnupperten, bisher noch leer ausgingen, liegt laut Cheftrainer Patrick Flomo an „mangelndem Selbstvertrauen nach der Niederlagenserie. Wir brauchen endlich mal einen Sieg, um das Momentum auf unsere Seite zu ziehen.“

Was Kapitän „Frenki“ Ignjatovic im Bemühen, sein Kreuzfahrtschiff auf Kurs zu halten, natürlich verhindern möchte …

 

30.11.23

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