Beim Krimi der JobStairs GIESSEN 46ers in Karlsruhe spielt „Frenki“ Ignjatovic zumindest eine Nebenrolle
Preisfrage: Was haben Alfred Hitchcock und „Frenki“ Ignjatovic gemeinsam? Antwort: Sie spielen in ihren Krimis zwar nicht die Haupt-, bisweilen aber durchaus die Nebenrolle. Der britische Filmregisseur und Drehbuchautor beispielsweise in „Die Vögel“, „Frenzy“ oder „Der zerrissene Vorhang“, der serbische Trainerfuchs am Samstag an Spieltag eins der BARMER 2. Basketball Bundesliga ProA im von den Fans als Intro besungenen „Badnerland“.
3:32 Minuten waren in der nur mit 1167 Zuschauern besetzten Lina-Radke-Halle noch zu spielen, als Dominick von Waaden Stefan Fundic übel abräumte. Die JobStairs GIESSEN 46ers führten 72:70, die Partie bei den PS Karlsruhe LIONS stand auf der Kippe. Der Big Man krümmte sich vor Schmerzen auf dem Boden. Da betrat Branislav Ignjatovic den Court. Um sich um seinen Landsmann zu kümmern. Um zu schauen, ob er ihn lieber auswechseln sollte. Um einzuordnen, ob Fundic vielleicht sogar ins Krankenhaus gebracht werden muss. Und: Um zu verhindern, dass der angeschlagene 29-Jährige an die Linie muss. Denn Freiwürfe, das wussten auch die knapp 100 mitgereisten und wie immer lautstarken Fans, sind nun mal nicht die Kernkompetenz des Mannes aus Belgrad.
Wenn der Coach das Spielfeld betritt, so ist nun mal die Regel, muss der Spieler auf die Bank. Und ein anderer die Würfe ausführen. In diesem Fall Jonathan Maier, „eigentlich ein sicherer Schütze“, glaubte auch „Frenki“ Ignjatovic. Doch der Center versenkte nur einen, am Ende aber den vermeintlich Entscheidenden, zum 73:70. Es sollte schließlich jener Vorsprung sein, den die Gäste – offenbar wie schon in der vergangenen Saison auf Drama gepolt – bis ins Ziel zwar nicht komplett retteten, ihn aber so nutzten, um einen 78:77 (39:39)-Erfolg mit nach Hause zu nehmen. Einen, den Chef-Dramaturg Ignjatovic sich getrost auf der Habenseite verbuchen durfte.
„Für mich war es ein ganz, ganz großer Sieg“, verblüffte der (noch) 56-Jährige später mit Worten, die angesichts der Tatsache, dass die 46ers im Unterhaus zum Favoritenkreis gehören, die „Löwen“ aber aufgrund eines Komplett-Umbruchs die Wenigsten auf dem Zettel haben, ein wenig. Doch „Frenki“ wäre nicht „Frenki“, hätte er keine Erklärung für seine euphorische Einschätzung parat: „Wir haben in der letzten Runde alle sieben Partien bei den anderen Playoff-Kandidaten, unter anderem auch in Karlsruhe verloren. Erstmals ist es uns nun geglückt, den Bock umzustoßen“, ließ der Serbe wissen und ergänzte: „Außerdem hatten wir alle noch das Debakel in Bremerhaven von vor einem Jahr in den Köpfen. Nun sind wir gut gestartet. Das macht Hoffnung.“
In die gleiche Kerbe schlug auch Ex-Nationalspieler Robin Benzing, der am Ende froh war, dass wir einen Sieg mit nach Hause nehmen können. Denn Karlsruhe hat unorthodox und ekelhaft gespielt und uns damit zu vielen Fehlern gezwungen.“ Von einer „Frage des Charakters“ sprach Simon Krajcovic: „Das ganze Team hat einen tollen Job gemacht und sich nie unterkriegen lassen.“ Stefan Fundic ergänzte: „Wenn du auswärts spielst, musst du immer mit einem solch aggressiven Gegner rechnen.“ Und Luis Figge sagte, dass die Gastgeber „übelst hungrig“ gewesen seien. „Doch unsere Pointguards haben heute das Ruder an sich gerissen und uns am Ende mit kühlem Kopf den Erfolg beschert.“
Recht hatte der Ex-Paderborner, denn der Slowake Simon Krajcovic und die beiden US-Boys Duane Wilson und Lamar Norman Jr. waren stets zur Stelle, als es eng wurde. Sie verteidigten in Karlsruhe, das auf die verletzten O´Showen Williams, Julian Albus und Kayo Goncalves verzichten musste, mit Leidenschaft. Sie bewiesen immer wieder ihr gutes Auge für die Mitspieler. Und sie punkteten konstant, ja teils spektakulär. Wie Lamar Norman Jr. bei seinem Debüt im 46ers-Trikot.
Überraschend früh im ersten Viertel eingewechselt, machte der 23-Jährige erst mit einem Buzzer-Beater-Dreier zum Halbzeitstand von 39:39, dann mit einem erfolgreichen Wurf von jenseits der 6,25-Meter-Linie zum 55:56 und schließlich mit einem abermaligen Dreier in der Schlusssekunde zum 63:56 am Ende des dritten Abschnitts nachhaltig auf sich aufmerksam. „Deshalb haben wir ihn geholt“, durfte sich „Frenki“ Ignjatovic auf die eigene Schulter klopfen, einem völlig unbekannten Rookie sein Vertrauen gegeben zu haben.
Auch Duane Wilson lieferte verlässlich, bestach mit acht von acht versenkten Freiwürfen und glänzte als Assistgeber, beispielsweise bei einem No-Look-Pass nach eigenem Steal, den Stefan Fundic kurz nach der Pause zum 46:41 für Gießen in die Reuse stopfte.
Und Simon Krajcovic stellte im Schlussabschnitt schließlich die Weichen auf Sieg. Erst traf der Ex-Bremerhavener zum 67:59, dann zeichnete er höchstpersönlich für die bis dato höchste 46ers-Führung zum 69:59 verantwortlich, ehe er 30 Sekunden vor dem Ende keine Nerven zeigte und auf 76:74 stellte. „Ich möchte nicht so viel über mich reden. Wir alle haben das getan, was nötig war, um erfolgreich nach Hause zu fahren“, gab sich der 29-Jährige zurückhaltend.
Um am Ende aber trotzdem zu wissen, dass ihm im Karlsruher „Löwenkäfig“ durchaus eine Haupt-, „Frenki“ Ignjatovic aber zumindest eine Nebenrolle zu Teil geworden war.
Karlsruhe: Dibba (20), Seiko (16), Zeeb (14), Dent (4), von Waaden, Tunstall (11), Jostmann (8), Ani (4), Haarmann (n.e.), Eltges (n.e.).
Gießen: Norman Jr. (11), Wilson (12), Fundic (14), Benzing (11), Maier (8), Figge (5), Kahl, Kovacevic (2), Nyama (4), Krajcovic (11).
5 gute 46ers-Zutaten
Zuschauer: 1167
Zuversicht: 14 Punkte von Stefan Fundic
Zugriff: 7 Rebounds von Stefan Fundic und Jonathan Maier
Zuarbeit: 7 Assists von Simon Krajcovic
Zukunft: Samstag, 7. Oktober, 19 Uhr: Phoenix Hagen – JobStairs GIESSEN 46ers