Die Schluss-Sirene geht im Jubel unter

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Es war fast halb elf am Samstagabend, als die Basketballfans in der Sporthalle Ost tobten, während sich die Spieler der LTi GIESSEN 46ers auf dem Parkett in die Arme fielen. In einem Heimspiel der besonderen Sorte feierten die LTi 46ers am Samstagabend nach einer schier unglaublichen Energieleistung ihren ersten Saisonsieg in der Beko Basketball Bundesliga-Saison 2011/2012. Gegen die Artland Dragons behielt das Team aus der Lahnstadt vor 2420 Zuschauern mit 110:109 nach Verlängerung die Oberhand.

Robert Oehle nach seinem erfolgreichen Korb zum 46:35. Bild: MEDIASHOTS werbefotografie.Und dass, obwohl die Heimmannschaft zu Beginn der fünfminütigen Extraspielzeit schon wie der sichere Verlierer aussah. Nach den fünften persönlichen Fouls von Elvir Ovcina (41.) und Radenko Pilcevic (42.) saßen beim Stande von 99:99 auf Seiten der Gastgeber bereits fünf (!) Spieler mit überzogenem Foulkonto auf der Bank – zuvor hatten schon Robert Oehle (34.), Bozo Djurasovic (35.) und Koko Archibong (40.) das Parkett verlassen müssen. Mit vier Guards (Mathias Perl, Achmadschah Zazai, Wayne Bernard, Barry Stewart) und Small Forward Maurice Jeffers auf dem Parkett hatten die 46ers unter den Brettern nun deutliche Längennachteile gegen die Dragons, bei denen bis zu diesem Zeitpunkt lediglich Nathan Peavy (38.) mit fünf Fouls vom Feld gegangen war. 

Die 46ers schafften jedoch das scheinbar Unmögliche. Die Mittelhessen stemmten sich in der Overtime mit aller Macht gegen die Niederlage. Angepeitscht von den Anhängern, die ihren Jungs schon vor dem Spiel mit Anfeuerungsrufen und einem Plakat „We believe in you“ den Rücken gestärkt hatten, warfen die Spieler von Cheftrainer Björn Harmsen ihren ganzen Kampfgeist in die Waagschale. Zwar kamen die Gäste aus Quakenbrück in der Verlängerung zu sechs ihrer insgesamt 15 Offensivrebounds und erarbeiteten sich eine 104:101-Führung (44.), doch waren es weiterhin die 46ers, die den noch größeren Willen zum Sieg demonstrierten. 

Der Matchwinner, Maurice Jeffers, wird von Elvir Ovcina (vorne) und Dominik Turudic (verdeckt) geherzt. Bild: MEDIASHOTS werbefotografie.Zum Matchwinner der siegeshungrigen und an diesem Abend unermüdlich rackernden Hausherren avancierte schließlich Maurice „Moe“ Jeffers, der neun seiner 23 Punkte in den letzten 100 Sekunden der Extraspielzeit erzielte (!). Zunächst schickte der 32-jährige US-Amerikaner einen Dreier durchs Netz (104:104), dann war der Flügelspieler gleich zweimal bei beherzten Penetrationen zum gegnerischen Korb selbst durch Fouls von Dragons-Center Anthony King nicht zu stoppen. Mit zwei Drei-Punkt-Spielen brachte der in der Endphase zum Center mutierte Jeffers seine Farben 49 Sekunden vor dem Ende mit 110:107 in Front. 

13 Sekunden später verkürzten die Dragons durch ihren an diesem Abend erfolgreichsten Punktesammler, Point Guard David Holston (29 Zähler), auf 109:110. Die Koch-Truppe kam 18 Sekunden vor der Sirene auch in Ballbesitz, als ein Wurfversuch von Gießens Barry Stewart geblockt werden konnte, schaffte es in der verbleibenden Restspielzeit jedoch nicht mehr, gegen die hellwache Gießener Verteidigung eine gute Wurfoption herauszuspielen. Die Schluss-Sirene ging im Jubel der begeisterten Fans unter. 

Gäste-Cheftrainer Stefan Koch bezeichnete den Sieg der Hausherren in der anschließenden Pressekonferenz aufgrund des sehr aufopferungsvollen Einsatzes der Gießener Mannschaft als verdient. Mit der Leistung seiner Schützlinge war der frühere Coach des Gießener BBL-Teams nicht zufrieden: „Es geht nicht, dass wir 20 Minuten benötigen, um Einsatz, Energie und Intensität abzurufen. Das steht für mich im Mittelpunkt der Betrachtung. Die schlechten Entscheidungen, die wir dann getroffen haben, nach dem wir den Anschluss hergestellt hatten, sind erst einmal sekundär und ich bin entsprechend sehr, sehr enttäuscht.“

LTi 46ers-Chefcoach Björn Harmsen meinte: „In der Verlängerung ging ein Ruck durch die Halle und durch die Mannschaft. Am Anfang war es schwer, an den Sieg zu glauben. Doch die Jungs, die auf dem Feld waren, haben aufopferungsvoll gekämpft und die, die auf der Bank und in der Halle waren, haben sie stark angefeuert. Ich bin sehr glücklich, dass wir gewonnen haben und auch glücklich darüber, dass wir es heute als Mannschaft gewonnen haben, wenig Fehler begangen und den Ball besser bewegt haben als zuletzt.“

Wayne Bernard zieht gegen Artlands Anthony Hilliard zum Korb. Bild: MEDIASHOTS werbefotografie.Schon am Ende der regulären Spielzeit hatte das Gießener Team die Chance besessen, das Spiel zu seinen Gunsten zu entscheiden. 35 Sekunden vor Ablauf der 40 effektiven Spielminuten führten die LTi 46ers nach zwei verwandelten Freiwürfen von Elvir Ovcina mit 92:89. Bei der folgenden Foulorgie hielten sich alle Spieler an der Freiwurflinie schadlos, abgesehen von Wayne Bernard, der acht Sekunden vor dem Ende nur einen seiner zwei Freiwurfversuche im Korb unterbrachte (97:95). Bei einer Restspielzeit von 3,4 Sekunden wurde Artlands quirliger Aufbauspieler David Holston auf dem Weg zum Korb durch ein Foul gestoppt. Die anschließenden Freiwürfe brachte der nur 1,67 Meter große US-Amerikaner sicher im Gießener Korb unter, insgesamt stand Holston 19-mal an der Freiwurflinie und traf 17-mal. Der letzte Wurf in der regulären Spielzeit, von Wayne Bernard aus dem Dribbling heraus knapp neun Meter entfernt vom Korb abgedrückt, verfehlte sein Ziel.

Angefeuert von den Heimfans gefiel das Gießener Team gegen den Playoff-Halbfinalisten der Vorsaison von Beginn an. Die LTi 46ers zeigten ein tolles Teamplay, entwickelten basierend auf einem schnellen Passspiel und viel Bewegung immer wieder viel Drang zum gegnerischen Korb, was zu acht Punkten von Center Elvir Ovcina bis zur sechsten Minute führte (12:7). Die Gastgeber trafen im ersten Viertel zehn ihrer 16 Würfe aus dem Feld und wurden mit viel Applaus in die erste Viertelpause verabschiedet (24:22).

Auch im zweiten Viertel sah das Gießener Offensivspiel weiterhin flüssig aus. Mit einer Mischung aus großer Einsatzbereitschaft und gelungenen Angriffsaktionen brachten die Hausherren zudem immer wieder das Publikum ins Spiel (Pilcevic zieht Offensivfoul von Strasser und trifft anschließend per Dreier zum 31:26/14.). Gegen Ende der ersten Halbzeit lief weiter alles nach Plan für die sich zwischenzeitlich im Spielrausch befindenden LTi 46ers, für die Robert Oehle das Spielgerät aus der Nahdistanz trotz eines Fouls seines Gegenspielers zum 46:35 (19.) in die Reuse beförderte. Mit starken Trefferquoten aus dem Zwei- und Dreipunktebereich  (65 bzw. 45 Prozent), neun Assists und nur zwei Ballverlusten verabschiedeten sich die Gießener Korbjäger in Kabine.

Riesengroß war die Freude nach Spielschluss bei den 46ers-Korbjägern. Bild: MEDIASHOTS werbefotografie.Auch zu Beginn der zweiten Halbzeit war eine große Gefahr der 46ers im Dreipunkteland beheimatet, Pilcevic und Bozo Djurasovic (mit Brett) trafen per Dreier (64:55/26.). Doch nach einem normalen sowie einem sich anschließenden technischen Foul gegen Achmadschah Zazai drohte die Partie zu kippen. David Holston verwandelte vier Freiwürfe, traf daraufhin auch noch einen Dreier zum 64:64-Ausgleich (27.). Wenig später lagen die Dragons gar mit 70:66 vorne (29.), ehe Wayne Bernard die etwas ins Flattern gekommenen 46ers-Nerven mit einem Dreier aus der Ecke (und mit Brett!) zum 69:70 beruhigte.

Bis zum Ende der überaus unterhaltsamen Partie konnte sich keiner der beiden Kontrahenten um mehr als drei Punkte vom Gegner absetzen. Trotz der hohen Foulbelastung war das zuvor erarbeitete Selbstvertrauen der kämpferisch wie spielerisch überzeugenden LTi 46ers schließlich groß genug, um die Artland Dragons in Schach zu halten. 

LTi GIESSEN 46ers: Stewart (11), Ovcina (16), Perl, Zazai (2), Djurasovic (6), Oehle (6), Pilcevic (18), Jeffers (23), Archibong (7), Nikagbatse, Bernard (21).

Artland Dragons, beste Werfer: Holston (29), Hilliard (22), Fenn (17), Peavy (14), Strasser (13), King (12).

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