92 erzielte Punkte reichten den LTi GIESSEN 46ers am Samstagabend nicht, um einen Heimsieg gegen die Telekom Baskets Bonn einzufahren. 3620 Zuschauer in der Sporthalle Gießen-Ost bekamen überraschenderweise eine äußerst korbreiche Partie zu sehen, in der die ansonsten als sehr defensivstark geltenden Gäste, statistisch gesehen immerhin das drittstärkste Verteidigungsteam der Liga, diesmal in erster Linie im Angriff überzeugen konnten. Der Tabellensechste setzte sich am Ende mit 99:92 durch.
Zu Beginn der Partie hatte es keineswegs so ausgesehen, als ob die Zuschauer viele Punkte zu sehen bekommen würden. Bonns Trainer Michael Koch meinte nach dem Spiel, dass seine Truppe die Verteidigung im Mannschaftsbus liegen gelassen habe, der nach einer Panne mit etwas Verspätung an der Osthalle eingetroffen war. Doch wie die Angriffe der LTi 46ers gegen eine noch aggressiver zu Werke gehende Verteidigung als die vom Bonner Team im ersten Viertel gezeigte ausgesehen hätten, mag man sich besser nicht vorstellen. Jedenfalls hatten die Gastgeber in der Anfangsphase große Probleme mit dem massiven Druck, den die Gäste auf die Gießener Ballvorträger und deren Anspielstationen ausübten. Fünf Ballverluste der LTi 46ers im ersten Viertel waren die Folge. Bonn nutzte die Turnover zu Schnellangriffen und lag nach drei Minuten mit 8:3 in Führung. Im weiteren Verlauf der Partie profitierten die Schützlinge von Thorsten Leibenath allerdings von einer harten Linie der Schiedsrichter Schmidt, Grievink und Simonow, die im ersten Viertel zehn Bonner Defensivaktionen mit einem Foul ahndeten. So standen die Gießener ab der sechsten Minute (8:10) für den Rest des Viertels fast nur noch an der Freiwurflinie, von wo sie mit großer Treffsicherheit glänzten – 14 von 14 Wurfversuchen fanden in den ersten zehn Minuten das Ziel. Sogar Florian Hartenstein, dessen Saison-Trefferquote von der Linie bis zu diesem Spiel bei 21 Prozent (8 von 37) gelegen hatte, traf hundertprozentig (2/2) und brachte sein Team kurz vor dem Ende des ersten Viertels, frenetisch bejubelt von den Fans, mit 20:18 in Führung.
In diesem Stil ging es zu Beginn des zweiten Viertels weiter: Corey Rouse wurde bei einem mit Ablaufen der 24-Sekunden-Uhr abgedrückten Dreier gefoult und verwandelte die anschließenden drei Freiwürfe zum 23:18 im Korb. Wahrscheinlich auch beeindruckt durch die vielen Schiedsrichterpfiffe verteidigten die Telekom Baskets anschließend nicht mehr ganz so intensiv. Gießen nutzte dies, um durch fünf Punkte von Obie Trotter mit 28:20 in Führung zu gehen (12.). Nach der anschließenden Auszeit und einem 7:0-Lauf der Bonner (28:27/14.) waren es Distanztreffer von Michael Umeh und Gerrit Terdenge sowie Nahdistanzpunkte vom unter dem gegnerischen Brett einmal mehr stark auftrumpfenden Corey Rouse, durch die der Tabellen-15. weiter vorne blieb (40:36/18.). Doch auch Bonn wurde nun in der Offensive immer treffsicherer, nach Dreiern von Eddie Basden und John Bowler stand es 42:42 (19.). Symptomatisch für den Verlauf der ersten Hälfte wurden die letzten Punkte von der Freiwurflinie erzielt. Gerrit Terdenge wurde bei einem Dreier von Winsome Frazier gefoult (sein drittes persönliches Foul), versenkte die drei Freiwürfe zum 47:44 im Bonner Korb und hielt so die optimale Freiwurfausbeute des Gießener Teams in Hälfte eins (20 von 20) aufrecht.
Rouse und Umeh bauten die Führung nach der Pause zunächst auf 51:47 (22.) aus, doch da es die Gießener Verteidigung an diesem Abend viel zu oft an der nötigen Aggressivität vermissen ließ, wurden die von rund 80 Fans unterstützten Gäste aus der ehemaligen Bundeshauptstadt regelrecht dazu eingeladen, das Kommando zu übernehmen: Kennzeichnend für die schwächste Gießener Phase im gesamten Spiel der Korberfolg von Eddie Basden in Minute 24, bei dem sich der Ex-NBA-Akteur in gemächlichem Tempo durch die 46ers-Zone bewegen und ungestört zum 51:54 ablegen konnte. Nachdem sich Obie Trotter nach einem von ihm verschuldeten Ballverlust beim anschließenden Bonner Fastbreak nur mit einem harten und von den Refs als „unsportlich“ geahndeten Foul zu helfen wusste, lag Bonn nach einem 10:0-Lauf mit sechs Zählern vorne (51:57). In der 27. Minute war beim 56:64 der höchste Rückstand der LTi 46ers im gesamten Spiel zu verzeichnen.
Mit einem 10:2-Lauf meldeten sich die Gastgeber in der Partie zurück, die nun an Intensität zunahm (66:66/29.). Nach zwei vergebenen Freiwürfen von Hartenstein und einem Schrittfehler von Danny Lewis konnte Bonn zum Ende des dritten Viertels aber wieder davonziehen (66:72), in der Verteidigung bekamen die Hausherren in dieser Phase vor allem Bonns Power Forward Ronald Burrell, der 21 seiner 25 Punkte nach der Pause erzielte, nicht in den Griff.
Ein Dreier des erstmals nach seiner verletzungsbedingten mehrwöchigen Pause wieder mitwirkenden Rouven Roessler aus rund acht Metern, der nach Brettberührung durch den Ring fiel, läutete das Schlussviertel ein (69:72). Anschließend traf zwar auch Danny Lewis „for three“, doch auf der Gegenseite ließ die Gießener Defense Bonns Dreierspezialisten Artur Kolodziesjski zweimal frei an der 6,25-m-Linie stehen, woraufhin sich der 28-jährige Forward mit zwei Treffern bedankte (72:78/32.). Anschließend arbeiteten sich die LTi 46ers durch Corey Rouse, der zweimal am Brett mit jeweiligem Foul eines Gegenspielers erfolgreich war, wieder heran (78:80/34.). Als der folgende Bonner Angriff erfolglos blieb, Corey Rouse im folgenden Schnellangriff bei einem Dunkversuch gefoult wurde und daraufhin noch ein technisches Foul gegen die Bonner Bank gegeben wurde, führten die Gastgeber nach Freiwurftreffern von Rouse (1/2) und Umeh (2/2) wieder mit 81:80 (35.).
Die vielleicht entscheidende, auf jeden Fall aber kurioseste Szene des Spiels ereignete sich dann in der 36. Minute: Danny Lewis‘ Fastbreak-Korblegerversuch nach einem Ballgewinn gegen Eddie Basden prallte nur gegen den Ring. Den hoch abspringenden Ball wollte der herangeeilte Corey Rouse per Tip-Dunk durch den Ring hämmern. Was auch gelang. Allerdings verfing sich der Ball so unglücklich im Netz, dass er aus diesem zum Entsetzen der Gießener Fans durch den Drall wieder heraussprang! Der folgende Bonner Fastbreak endete mit dem fünften Foul von Flo Hartenstein und zwei Freiwurfpunkten von Ronald Burrell (83:86). Die LTi-Truppe verkürzte zwar nochmals auf 86:88, musste im Gegenzug aber einen Dreier von Frazier zum 86:91 einstecken (39.). Ein Rückstand, der nach einem missglückten Dreierversuch von Trotter und einem Offensivfoul von Umeh in der Schlussminute nicht mehr wettgemacht werden konnte.
Punkteverteilung:
LTi GIESSEN 46ers: Umeh (15), Terdenge (12), Lewis (6), Trotter (21), Lischka (0), Rouse (22), Roessler (6), Boxley (2), Hartenstein (8), Buljevic, Robinson (beide n.e.).
Telekom Baskets Bonn: Frazier (15), Burrell (25), Strasser (6), Davis (6), Diagne (4), Bowler (15), Kolodziejski (10), Flomo (4), Kruel (4), Basden (10), von Heydebrand (n.e.).
Stimmen zum Spiel:
Thorsten Leibenath (Cheftrainer LTi GIESSEN 46ers): „Glückwunsch an Bonn. Von der Leistung meiner Mannschaft bin ich enttäuscht. Wenn ein Team, das im Abstiegskampf steckt, zu Hause 99 Punkte kassiert, ist das einfach zu viel. Wir haben nicht aggressiv genug verteidigt, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass am Ende nur vier Ballverluste für die Bonner notiert wurden. Vor allem in Korbnähe waren wir zu passiv. Wir haben zu viele Bälle in unsere Zone hereinkommen lassen. Unser Ziel war, John Bowler und Ronald Burrell nicht an den Ball kommen zu lassen. Das hat nicht geklappt, was auch an der Verteidigung unserer Außenspieler lag. Positiv zu bewerten war, dass wir uns nach dem Rückstand nicht aufgegeben haben.
In einigen Phasen kam etwas Pech dazu. Phasenweise haben wir den Druck in der Verteidigung erhöht und Bonn zu schweren Würfen gezwungen, daraufhin aber blöde Offensivrebounds kassiert. Das war schon ein Stück weit frustrierend. Wenn der Dunk von Corey Rouse in einer wichtigen Spielphase Mitte des letzten Viertels nicht wieder aus dem Netz herausgesprungen wäre, hätte das Spiel vielleicht eine andere Wendung genommen. Bonn hat sicher die Qualität uns zu schlagen. Aber wenn wir heute in der Lage gewesen wären, unser volles Leistungspotenzial auszuschöpfen, hätten wir gewinnen können.
Wir dürfen nicht den Fehler machen, zu sehr darauf zu schauen, was die anderen Teams machen, die in den Abstiegskampf verwickelt sind. Wir müssen schauen, dass wir aus eigener Kraft die nötigen Siege für den Klassenerhalt einfahren. Heute haben wir eine Chance auf einen Sieg liegen gelassen. Am nächsten Freitag wartet in Tübingen das nächste wichtige Spiel auf uns und darauf werden wir uns ab sofort intensiv vorbereiten.“
Michael Koch (Cheftrainer Telekom Baskets Bonn): „Wir haben nach dem Gießener Sieg gegen Bamberg erwartet, dass es kein einfaches Spiel für uns werden würde. Es war kein schönes Spiel. Ich war überrascht davon, dass das heute so etwas wie ein Offensiv-Festival geworden ist. Wir haben als eines der defensivstärksten Teams der Liga 92 Punkte zugelassen. Gießen hat im Angriff clever gespielt und seine Optionen gut genutzt. Dass wir aber 99 Punkte erzielt haben, gibt mir sehr viel Zuversicht für die Play-Offs, denn wir wissen jetzt, dass wir sowohl gut verteidigen als auch ein gutes Offensivspiel hinlegen können.
Die kleinen Dinge wie einige Offensivrebounds haben heute das Spiel entschieden. Ausschlaggebend für unseren Sieg war auch, dass Ronald Burrell in der zweiten Halbzeit leistungsmäßig eine Schippe draufgelegt hat und wir als Mannschaft gespielt haben. Am Ende kamen wir auf 17 Assists, in dieser Kategorie sind wir sonst eigentlich nicht so stark.
Ich wünsche Gießen alles Gute im Kampf gegen den Abstieg. Die Mannschaft hat genug Potenzial, um in der Ersten Liga zu bleiben, das hat man auch heute wieder gesehen. Für mich ist das eine Herzenssache, schließlich habe ich lange in Gießen gespielt und bin hier noch immer mit vielen Menschen freundschaftlich verbunden. Es wäre schade, wenn so ein Traditionsklub wie Gießen absteigen müsste.“