Mehr Drama geht nicht. Ausgerechnet nach ihrem längsten Erstligaspiel in ihrer mehr als 42-jährigen Zugehörigkeit zum deutschen Basketball-Oberhaus steht fest, dass die LTi GIESSEN 46ers den sportlichen Abstieg in die 2. Liga ProA nicht mehr abwenden können. Bei den New Yorker Phantoms Braunschweig musste der mittelhessische BBL-Vertreter am frühen Sonntagabend nach dreimaliger (!) Verlängerung und einem großen Kampf eine 94:98 (85:85, 76:76, 70:70, 29:33)-Niederlage einstecken. Bei nur noch einer ausstehenden Partie (am 9. Mai gegen Düsseldorf) kann sich das in der Tabelle nunmehr 16:50 Punkte aufweisende Bundesliga-Gründungsmitglied von der Lahn nicht mehr vom vorletzten (17.) Tabellenplatz verbessern.
Die LTi 46ers wollten in der mit 2360 Zuschauern besetzten Volkswagen Halle unter anderem zwei der gefährlichsten Offensivspieler im Phantoms-Team, Andrew Drevo und Dustin Salisbery, unter Kontrolle halten. Im Falle von Salisbery klappte dies in der Anfangsphase der Begegnung jedoch überhaupt nicht – der 24-jährige US-Flügelspieler erzielte neun der ersten 17 Punkte der Gastgeber, sorgte so maßgeblich dafür, dass Braunschweig nach sieben Minuten mit 17:7 führte. Die LTi 46ers konnten bis zur ersten Viertelpause auf 12:20 verkürzen.
Nachdem der Tabellen-17. anschließend auf 17:20 herangekommen war (12.), wollte in den folgenden Minuten offensiv rein gar nichts gelingen. Erst in der 18. Minute ließ Shooting Guard Michael Umeh mit einem verwandelten Dreipunktewurf die 50 mitgereisten 46ers-Fans wieder jubeln (20:29). Eine Art Initialzündung für die Bogojevic-Truppe, die nach vier Punkten von Brandon Worthy und fünf Zählern von Heiko Schaffartzik zur Pause beim Stande von 29:33 wieder im Geschäft war.
Auch ein guter Braunschweiger Start in Viertel drei – nach 23 Minuten führte das Team von Trainer Emir Mutapcic erneut mit zehn Punkten Differenz (43:33) – konnte nicht verhindern, dass Gießen nun immer besser ins Spiel kam. Nach dem 42:51 aus Gästesicht brachten Brandon Worthy und Heiko Schaffartzik die rot-weißen Farben mit erfolgreichen Dreierversuchen wieder auf Tuchfühlung zum Gegner (48:51/28.). Mit einem 51:58-Rückstand startete die Gießener Fünf in die letzten zehn Minuten der regulären Spielzeit.
Dort lief besonders nach dem 54:59 alles wie am Schnürchen für die LTi 46ers. Während die Braunschweiger zu vielen Dreipunktewürfen gezwungen wurden, die nicht ihr Ziel fanden, legte das Team um Aufbauspieler Heiko Schaffartzik einen 12:0-“Run“ hin und führte nach 37 Minuten mit 66:59. Zwei Minuten später hatte sich das Blatt durch einige Unkonzentriertheiten auf Gießener Seite aber schon wieder gedreht: Phantoms-Guard Jonathan Levy legte zum 67:66 (39.) für die Niedersachsen ab. Zu allem Überfluss musste Brandon Worthy das Feld in dieser Phase benommen verlassen, da er einen Schlag ins Gesicht erhalten hatte. Der Combo-Guard, der bis zu diesem Zeitpunkt in dieser Partie nicht nur aufgrund von drei Steals überwiegend positiv in Erscheinung getreten war, kehrte in der Verlängerung zwar nochmal kurz auf das Feld zurück, war da aber noch merklich angeknockt, so dass er von der medizinischen Abteilung für den Rest der Partie wieder auf die Bank beordert wurde.
Michael Umeh brachte die LTi 46ers per Dreier wieder in Front (69:67) und Ricky Hickman baute diese Führung eine Minute vor der Schluss-Sirene auf 70:67 aus, doch Dustin Salisbery erzielte 21 Sekunden vor dem Ende mit einem weiteren erfolgreichen Dreipunktewurf den 70:70-Ausgleich. Den letzten Angriff konnten die Mittelhessen nicht zu dem siegbringenden Korberfolg nutzen.
In der ersten Verlängerung schien die ab Beginn der zweiten Halbzeit bei den 46ers zutage getretene Freiwurfschwäche (einer Ausbeute von 7 von 11 zur Pause ließen die Akteure der LTi 46ers 18 Fehlwürfe bei 40 Versuchen folgen) die Vorentscheidung zu Ungunsten der Gäste zu bedeuten. Johannes Lischka und Ricky Hickman leisteten sich jeweils zwei Fehlversuche „von der Linie“. Die Hausherren konnten sich jedoch nicht entscheidend absetzen. Michael Umeh war es, der sich bedankte und 20 Sekunden vor Ablauf der fünfminütigen Extraspielzeit für den 76:76-Gleichstand sorgte.
In der zweiten Overtime schien es so, als ob die LTi 46ers endgültig auf die Siegerstraße einkehren könnten. Schaffartzik & Co. schafften es nicht nur, nach Kyle Visser (44.) mit Jason Cain (46.) und Will Franklin (50.) zwei weitere Braunschweiger Spieler auszufoulen, sondern auch, sich eine 83:77-Führung (49.) herauszuspielen. Doch dieser Vorsprung sollte abermals nicht reichen: Wieder zeigte man an der Freiwurflinie Nerven, traf nur zwei von sechs Versuchen in den finalen 50 Sekunden von Verlängerung zwei. Salisbery hatte nach dem fünften Foul von Corey Rouse fünf Sekunden vor dem Ende beim Stande von 84:85 aus Sicht der New Yorker Phantoms die Chance, den Braunschweiger Sieg einzutüten, setzte aber einen seiner zwei Versuche an den Ring – eine dritte Verlängerung musste her, ein Novum in der langen Gießener Erstligageschichte.
Auf das fünfte Foul von Andrew Drevo (51.) ließ Robert Maras zwei erfolgreiche Freiwurftreffer und die letzte Führung (88:87) für die LTi 46ers folgen. Braunschweig konterte durch zwei Dreier von Nils Mittmann (93:88/53.). Anschließend kassierte Robert Maras sein fünftes Foul, für ihn kam Jannik Freese aufs Parkett. Die Phantoms sahen 45 Sekunden vor Ablauf der dritten Extraspielzeit beim 96:90 wie der Sieger aus. Der Umstand, dass sich die Brauschweiger von der Freiwurflinie noch generöser gaben als die 46ers (für die Hausherren stand nach Ablauf der 55 Minuten eine 48-prozentige Freiwuftrefferquote zu Buche, für Gießen 57), führte dazu, dass die Hessen die Möglichkeit hatten, das Resultat nochmals ausgeglichen zu gestalten, doch Ricky Hickmans Dreier beim Stande von 94:97 rund zehn Sekunden vor dem Ende fand nicht den Weg durch die Phantoms-Reuse.
Wenngleich der große Fight des Gießener Teams nicht mit einem Sieg belohnt wurde, stilvoller kann man den eigenen sportlichen Abstieg wohl nicht zementieren. Am Ende war Michael Umeh mit 22 Punkten Topscorer auf Seiten der LTi 46ers und Heiko Schaffartzik hatte mit annähernd 49 Minuten die längste Einsatzzeit aller in dieser Partie zum Einsatz gekommenen Spieler zu Buche stehen. Johannes Lischka nutzte seine fast 40-minütige Präsenz auf dem Feld ebenso zu einem Double-double (20 Punkte, 14 Rebounds) wie Corey Rouse, der in 32 Minuten auf 13 Punkte und zehn Rebounds kam.
„Vladi“ Bogojevic meinte nach dem Spiel: „Es war ein spannungsgeladenes, intensiv geführtes Spiel mit einem in zweifacher Hinsicht bitteren, enttäuschenden Ende für uns, denn wir haben nicht nur diese Partie verloren, sondern stehen dadurch auch als sportlicher Absteiger fest. Nach einem ersten Viertel, das nicht zufriedenstellend verlaufen ist, haben wir zu unserem Spiel gefunden, große Aggressivität gezeigt, den Ball gut bewegt und vieles von dem umgesetzt, was wir uns vor dem Spiel vorgenommen hatten. Letztlich ist zu bemängeln, dass wir es nicht geschafft haben, den Sack zuzumachen. Wir haben nach zwei deutlichen Führungen zum Ende der regulären Spielzeit und zum Ende von einer der nötig gewordenen Verlängerungen in einigen Phasen zu unkonzentriert agiert, dadurch einfache Punkte kassiert und uns im Großen und Ganzen zu viele Fehlversuche von der Freiwurflinie geleistet. Ein großes Dankeschön geht an unsere Fans, die uns hervorragend unterstützt haben. Sie hätten genauso einen Sieg verdient gehabt wie meine Spieler, die hier wirklich einen tollen Fight abgeliefert haben.“
Punkteverteilung:
LTi GIESSEN 46ers: Umeh (22), Worthy (9), Hickman (10), Lischka (20), Maras (6), Poiger (n. e.), Rouse (13), Freese (0), Schaffartzik (10), Hartenstein (4).
New Yorker Phantoms Braunschweig: Franklin (6), Levy (15), Visser (18), Drevo (11), Cain (3), Mittmann (8), Flowers (2), Crouch (5), Salisbery (28), Ubaka (2).