Die Premierensaison der 2. Liga Pro A endete für das Team des LTi LICH auf dem zwölften Platz von 16 in der Liga vertretenen Klubs. Schon einige Wochen vor dem Saisonende konnten die Bierstädter den Klassenerhalt unter Dach und Fach bringen. Anders als die meisten anderen Klubs in der Liga vertraute man in Lich nicht überwiegend auf Spieler aus den USA, auch viele deutsche Spieler aus der mittelhessischen Region nahmen entweder tragende Rollen im Team ein oder konnten in etlichen Spielminuten auf dem Feld wertvolle Erfahrungen sammeln.
Einer ragte heraus: Forward Johannes Lischka, der in der Vorsaison zum Youngster des Jahres in der 2. Liga Süd gewählt worden war, war am Ende der Saison mit im Schnitt 17,6 Punkten pro Spiel der bestplatzierte deutsche Spieler in der Punkteeinzelrangliste der Pro A (Platz acht). Hinter Lischka folgten mit Guard Brandon Jenkins (15,6 PpS) und Center Gary Hamilton (13,5 PpS) zwei der drei US-Amerikaner, die auf Licher Seite pro Spiel maximal zum Einsatz kamen. Der 23-jährige Hamilton konnte vor allem durch seine Reboundstärke (11,3 pro Spiel) überzeugen. Alexander Biller (40), seit dem letzten Sommer Head Coach des Zweitligisten aus dem Herzen der Natur, blickt im großen Interview mit ltilich.de zurück auf die Spielzeit und äußert sich darüber hinaus auch zu den Planungen für die kommende Saison.
ltilich.de: Hallo Alex, wie zufrieden bist du mit dem Abschneiden in deiner ersten Saison als Head Coach einer Mannschaft aus dem Unterhaus der BBL?
Alexander Biller: Die Ziele, die wir uns vor der Saison gesetzt hatten, haben wir erreicht. Zum einen konnten wir den Klassenerhalt vorzeitig sicherstellen. Zum anderen haben wir das umgesetzt, was wir vor der Saison als Prämisse ausgegeben hatten – nämlich dass unsere jungen deutschen Spieler in einer starken Liga Spielzeit erhalten und sich so weiterentwickeln, zumindest aber wichtige Erfahrungen sammeln können.
Wir hatten sieben Spieler im Team, die schon bereit für das Niveau waren, das in der 2. Liga Pro A herrscht und das im Vergleich zur vorherigen zweiten Liga deutlich besser war. Richard Poiger und Viktor Klassen kamen als erste Optionen von der Bank. Alle übrigen Spieler, die dahinter Minuten erhalten haben, sind in ihrer Entwicklung noch nicht so weit, dass sie eine tragende Rolle im Team einnehmen konnten. Uns war es dennoch wichtig, dass unsere Nachwuchsspieler viele Minuten bekommen.
ltilich.de: Was waren die positivsten Entwicklungen, die du im Laufe der Saison bei deinem Team beobachtet hast?
Alexander Biller: Da muss ich Johannes Lischka nennen. Wie er sich in den letzten Monaten als Spieler und als Person innerhalb des Teams weiterentwickelt hat, war schon toll mitanzusehen. Dass er scoren kann, wusste man ja bekanntlich schon bevor ich das Traineramt in Lich übernommen habe. Ihm wurde allerdings von verschiedenen Seiten auch immer wieder nachgesagt, dass er es in der Verteidigung ’nicht bringt‘. In dieser Saison hat er das Gegenteil bewiesen, auch weil sich seine kämpferische Einstellung erheblich verbessert hat. Auch seine Körpersprache auf dem Feld hat sich zum Positiven verändert. Er hat sich zu einem Teamplayer entwickelt, das Jahr in Lich war ein ganz wichtiges für ihn. Die steilste Entwicklung nach oben hat sicher unser Guard Brandon Jenkins vollzogen. Er ist von Woche zu Woche stärker geworden.
ltilich.de: Obwohl auf seiner Position ursprünglich mit einem anderen Spieler geplant worden war, der dann aber nicht in den Flieger gestiegen ist….
Alexander Biller: Ja, das hat unsere Planungen ganz schön durcheinander gewirbelt. Erst einen Monat später, rund zwei Wochen vor dem Saisonstart, haben wir dann Brandon unter Vertrag genommen. Er hat am Anfang sicher ein wenig darunter gelitten, das er nicht ganz der Spielertyp war, den wir gesucht hatten. Wir waren ursprünglich auf der Suche nach jemandem, der als Shooter von den Außenpositionen noch mehr Gefahr ausstrahlt als Brandon es gerade zu Saisonbeginn getan hat. Das hätte unser Spiel noch mehr geöffnet und es den Gegnern schwerer gemacht, die uns doch immer wieder damit Probleme bereiten konnten, wenn sie den Raum unter dem eigenen Korb zugemacht haben. Als es dann wirklich wichtig wurde, mit Beginn der Rückrunde, und er sich immer besser akklimatisiert hatte, hat Brandon dann aber nochmal einen Schritt nach vorne gemacht und aus der Distanz besser getroffen. Mit seiner gesamten Präsenz auf dem Feld, seiner Verteidigung, seiner Schnelligkeit und seinem Drive zum Korb war er natürlich schon davor ein ganz wichtiger Faktor für die Mannschaft.
ltilich.de: Gleiches gilt für Center Gary Hamilton, der im Licher Team zum besten Rebounder der Liga avancierte.
Alexander Biller: Richtig, das war nicht unbedingt zu erwarten. Gary war für uns so etwas wie eine Wundertüte. Wir haben ihn sehr spät (Anmerkung: einen Tag vor dem Saisonstart in Karlsruhe) verpflichtet, weil wir auch auf dieser Position ursprünglich auf einen anderen Spieler fokussiert waren. Als sich das zerschlagen hatte, standen wir auch da etwas unter Zeitdruck und konnten Gary deshalb nicht so akribisch scouten wie wir das gerne gemacht hätten. Er hat dann aber im Training kontinuierlich an sich gearbeitet und sich sehr schnell sehr stabil entwickelt, lediglich im Februar/März hatte er einen kleinen Durchhänger. Gary war ab und an zwar etwas unkonzentriert im Umgang mit dem Ball, hat hier in Lich aber auch Leaderqualitäten gezeigt und sich natürlich als ein ganz dominanter Rebounder entpuppt.
ltilich.de: Auf der dritten US-Position gab es im Laufe der Saison einen Wechsel – C. J. Pigford kam für den verletzten Mike Wilds, von dem man sich später vorzeitig trennte. C. J. hat die Erwartungen nicht immer erfüllen können.
Alexander Biller: Ja, was auch damit zu tun hatte, dass er sich hier erst einmal zurecht finden musste, auch mit der Rolle, die er im Team spielte. Bei seinen früheren Stationen war er immer der Go-to-Guy, die erste Option im Angriff. Bei uns war er hinter Jo und Gary die dritte Option. Es ist nicht so einfach, das von heute auf morgen zu verinnerlichen. Nichtsdestotrotz hat er in einigen Spielen mit starken Leistungen in entscheidendem Maße dazu beigetragen, dass wir am Ende als Sieger vom Feld gegangen sind – beispielsweise im wichtigen Heimspiel gegen Chemnitz (Anm.: C. J. kam in diesem Spiel auf 20 Punkte und 12 Rebounds).
ltilich.de: Gab es Dinge, die hätten besser laufen können?
Alexander Biller: Wir hatten sicher damit zu kämpfen, dass wir in unserem Team im Prinzip vier Gruppen von Spielern mit verschiedenen Ansprüchen hatten. Einerseits die US-Vollprofis, dann die Doppellizenzspieler, die zwischen Gießen und Lich gependelt sind, dann die Halbprofis, die neben dem Basketball arbeiten und schließlich die ganz Junghalbprofis, die neben dem Basketball noch zur Schule oder zur Universität gehen. Während die erfahrenen Halbprofis wie Rolf (Scholz) oder Viktor (Klassen) den Spagat zwischen Arbeit am Tag und Basketball am Abend in tadelloser Art und Weise bewältigt haben und im Training regelmäßig ein Vorbild an Einsatzbereitschaft waren, hat man bei den Junghalbprofis schon gemerkt, dass es für sie nicht so leicht war, das Niveau konstant zu halten. Das hat uns in manchen Phasen der Saison daran gehindert, leistungsmäßig noch einen weiteren Schritt nach vorne zu machen, war aber halt nicht zu ändern.
Eine andere Sache war, dass sowohl ich als auch mein Assistent Marcus Krapp neu in dieser Position waren. Es hat seine Zeit gedauert, bis die Abläufe harmonisiert waren und wir uns auch aufeinander eingestellt hatten. Aber das ist normal, jeder hat seine Ecken und Kanten. Vieles ist am Anfang noch nicht so perfekt gelaufen wie dann später in der Saison. Irgendwann hatten wir aber ein sehr gutes Vertrauensverhältnis zueinander aufgebaut, wir haben dann sehr konstruktiv zusammengearbeitet.
ltilich.de: Du hast die Halbprofis angesprochen: Zu dieser Sparte gehören die Nachwuchsspieler hinter Johannes Lischka und Richard Poiger. Wie gut konnten die in dem BBL-Unterhaus mithalten? Wie bewertest du beispielsweise die Entwicklung von Mathias Perl, der vor der Saison vom Regionalligisten VfB 1900 Gießen gekommen war und als eines der größten Talente in der Region gilt?
Alexander Biller: Für Matze wie für alle anderen der jungen Spieler unserer Truppe, die neben dem Basketball noch zur Schule oder an die Uni gehen, gilt: Die Einstellung hat gestimmt, der Einsatzwille in den Spielen auch. Am Anfang der Saison hat sich alles sehr positiv entwickelt. Aber so eine Saison ist halt lang, man muss sich in jedem Training neu beweisen. Später, als die Gruppe durch den Weggang von Lasse Marck dann auch kleiner geworden war, war eine gewisse Stagnation zu erkennen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass der Leistungsunterschied zwischen der 1. Regionalliga oder der NBBL und der Pro A sehr groß ist. Das braucht alles seine Zeit.
Die Pro A ist ganz klar das Spielfeld für die jungen deutschen Top-Spieler, nur die größten deutschen Talente schaffen es, dort Fuß zu fassen und Leistungsträger in ihren Teams zu sein. In der Pro A müssen sie sich gegen hoch motivierte US-Amerikaner durchsetzen, die schon ein paar Jahre älter und auch in körperlicher Hinsicht entsprechend weiter sind. Johannes (Lischka) ist einer dieser jungen deutschen Top-Spieler. Auch er hat das nicht von heute auf morgen geschafft.
Man darf jetzt sicher nicht erwarten, dass wir jedes Jahr einen Spieler dieser Qualität herausbringen. Wichtig ist, dass die jungen deutschen Spieler in diesem Alter so viel Erfahrung wie möglich auf Männerebene sammeln. Es kann nur von Vorteil sein, noch in einer zweiten Männermannschaft auf möglichst hohem Niveau zu spielen.
ltilich.de: Wie weit sind die Planungen für die nächste Saison gediehen? Wer aus dem Team hat noch Vertrag? Wie stehen die Chancen, dass man Spieler wie Gary Hamilton oder Brandon Jenkins noch einmal in Lich wiedersieht?
Alexander Biller: Mathias Perl sowie die Doppellizenzspieler Johannes Lischka und Richard Poiger haben noch einen Vertrag für die nächste Saison. Mit den Spielern, deren Verträge ausgelaufen sind, befinden wir uns momentan in Gesprächen über die nächste Saison. Gary Hamilton oder Brandon Jenkins würden wir natürlich gerne hier behalten, aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sie hier in Lich einen guten Job verrichtet haben. Sie haben ihren Marktwert gesteigert und das Interesse von vielen Klubs auf sich gezogen, so dass sie im Rahmen der uns in Lich zur Verfügung stehenden Mittel in der nächsten Saison einfach nicht mehr bezahlbar sein werden.
Wir wollen den ‚deutschen Weg‘, der in Lich eingeschlagen worden ist, in ähnlicher Konstellation auch in der kommenden Spielzeit fortsetzen und werden auch wieder versuchen, Talente aus dem nicht-mittelhessischen Raum unter Vertrag zu nehmen, die das Potenzial haben, irgendwann mal für Gießen in der Bundesliga spielen zu können. Auch um die Lücken zu füllen, die wir noch nicht mit Spielern aus Mittelhessen besetzen können und um hier auch einfach noch mehr Konkurrenzdruck für die heimischen Spieler zu schaffen.
Dabei wird uns sicher zugute kommen, dass wir mit dem Pfund wuchern können, in Mittelhessen durch die Kooperation mit den LTi 46ers neben Kirchheim das einzige Farm-Team eines BBL-Klubs in Deutschland zu sein, das in der Pro A spielt und jungen deutschen Talenten die Chance bietet, auf einem hohen sportlichen Niveau den nächsten Schritt zu machen. Wir stehen derzeit in Kontakt mit etlichen Spielern, mit denen wir uns vorstellen könnten, unseren Weg fortzusetzen. Es ist aber noch zu früh, um Namen zu nennen.
ltilich.de: Du hast noch einen Vertrag bis zum Ende der Saison 2008/2009. Wie hat es dir als gebürtigem Hamburger in deinem ersten Jahr in Mittelhessen persönlich gefallen?
Alexander Biller: Mir macht es Spaß hier zu arbeiten, ich verstehe mich mittlerweile als ein Teil der mittelhessischen Basketballfamilie. Je länger die Saison dauerte, umso wohler habe ich mich gefühlt, auch weil ich mich irgendwann gut auskannte und die verschiedenen Leute, mit denen ich zu tun habe, besser kennengelernt hatte. Wichtig war auch, dass die Coaches in Lich und Gießen untereinander ein sehr gutes Verhältnis gepflegt haben und exzellent zusammengearbeitet haben. Ich fühlte mich als Teil eines Teams. Wenn das nicht so gewesen wäre, wäre es auch sicher schwerer geworden, Erfolg zu haben.